Ein Video mit einer Geschichte, die zum Nachdenken anregen soll.
"Die französische Regisseurin Eléonore Pourriat dreht einen Kurzfilm über Frauen, die sich wie Männer aufführen – sexuelle Belästigung inklusive.
Pierre ist ein netter, vollschlanker, ein bisschen schüchterner Mann. Sein Tag beginnt in etwa so: Er steht im Hausflur, grüßt freundlich eine Nachbarin und wird von ihr erst einmal herablassend belehrt, dass da wohl jemand seinen Hausbewohnerpflichten nicht nachgekommen sei. Aber das, sagt sie dann, sollte sie wohl besser mit seiner Frau besprechen, soll heißen: Du, Mann, hast ja eh keine Ahnung.
Pierre schiebt seinen Sohn im Kinderwagen auf die Straße. Am Eingang kommt ihm eine Joggerin entgegen: nackter Oberkörper, verschwitzt, außer Atem, sie will ihm mit dem Buggy helfen, das meint sie nett, merkt aber nicht, dass sie ihm dabei viel zu sehr auf die Pelle rückt. Im Laufe des Tages steigern sich die Annäherungen, von Pfiffen und "Hübscher Arsch!"-Rufen auf der Straße zu Übergriffen bis hin zu Vergewaltigung und Misshandlung.
Die Polizistin, bei der Pierre den Überfall anzeigt, glaubt ihm nicht so richtig, bestellt sich dann auch erst einmal einen Kaffee bei ihrem jungen, männlichen Kollegen – "Danke, Süßer" – und ruft ihm noch nach, wie gut ihm seine Hose stehe, wofür der sich artig bedankt.
Alltag im Zusammenleben der Geschlechter, wäre Pierre eine Frau und die Frauen, mit denen er es zu tun bekommt, Männer.
Verkehrte Welt
Eléonore Pourriat, eine französische Filmemacherin, hat die Rollen umgedreht, sonst hätte sich wohl niemand für ihr Thema begeistern können. Und eigentlich interessierte sich auch erst niemand so richtig für ihren Film. Ob feministische Themen denn noch zeitgemäß seien, wurde sie gefragt. Auch von Frauen. Eléonore Pourriat gewann für "Majorité Opprimée" (Unterdrückte Mehrheit) zwar einen Preis beim Filmfestival in Kiew, aber das war's dann auch schon mit der Aufmerksamkeit.
Und nun, knapp vier Jahre später, ist der zehnminütige Kurzfilm eine kleine Sensation. Fast 3,5 Millionen Mal wurde er mittlerweile bei YouTube aufgerufen. Eléonore Pourriat hat ihr Publikum über das Internet gefunden.
Die Idee zu dem Film kam ihr durch eigene Erfahrungen. Sie sei zwar nicht sexuell bedroht worden, sagte sie dem britischen "Guardian", doch als junge Frau um die 30 sei sie auf der Straße praktisch immer "bemerkt" worden, Blicke, Worte, Anmachen. Ihr Ehemann sei vollkommen überrascht gewesen, als sie ihm damals erzählte, dass so etwas zum Alltag einer Frau gehöre.
Nicht mitbekommen
Und so ist es wohl auch mit handfestem Sexismus. Weil sie selbst nicht damit konfrontiert werden, kriegen Männer nichts davon mit – auch wenn sie vielleicht zu denjenigen gehören, die Frauen respektvoll und tadellos behandeln. Darum hat Pourriat die Frauen in ihrem Film einfach in die Männerrolle gesteckt und die Männer in die Frauenrolle. Und auch, wenn die Beispiele zum Teil sexistische Extremfälle sein mögen – Aufmerksamkeit hat sie auf diese Art bekommen.
Dass ihr Film erst jetzt so erfolgreich sei, habe wohl damit zu tun, dass Frankreich und andere Länder Europas gerade eine neue Welle von Unterdrückung erlebten, glaubt Pourriat. Ein neues Gesetz in Spanien zum Beispiel, das Frauen nur noch in Ausnahmefällen eine straffreie Abtreibung erlaube, aber auch die ablehnende Haltung der Franzosen gegenüber der Homo-Ehe gefährdeten Gleichheit und Gerechtigkeit in Europa.
Am Ende wird Pierre von seiner Frau abgeholt. Sie kommt viel zu spät aufs Polizeirevier, er sitzt dort seit Stunden. Sie sei einfach nicht früher aus dem Büro rausgekommen, sagt sie. Aber sie habe es den Kollegen im Meeting so richtig gezeigt. Pierre lächelt mit letzter Kraft und sagt: "Ich bin so stolz auf dich."
Video im Link.