Hathagat schrieb:Und Mc Timsy's Wissen in allen Ehren, der beteiligt sich hier auch umfangreich hier dran, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Argumente meist auf ziemlich wackeligen Beinen stehen/recht spekulativ sind oder eben hart an der Grenze.
Sowas wie "Gut, die Amis foltern willkürlich und massenhaft... aber nicht auf eigenem Terretorium, das sind doch schon gute Aussichten!" oder "Ich bin zuversichtlich, dass Guantanamo irgendwann geschlossen wird." lese ich da raus, oder irre ich mich da, Timsy?
Du hast nur noch nicht den Kern meiner Ansicht verstanden scheint mir. Es geht darum, dass die USA als System nach wie vor Rechtsstaatlichkeit aufweisen. Jedes verfasste System ist bis zu einem gewissen Grad durch die Behörden ignorierbar, ab einem gewissen zeitpunkt dürfte sich dann entscheiden, ob das rechtliche System unter dem Druck endgültig zusammen bricht, oder ob die Spannungen zu groß werden, als dass die Behörden weiter machen könnten.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen beispielsweise Russland und Amerika, ist die immernoch funktionierende, wenn auch durch vielfache Entwicklungen geschwächte Existenz von Checks and Balances. In den USA versuchen die Republikaner derzeit den Präsidenten wegen Amtsmissbrauch zu verklagen. Sowas wäre in Russland und China undenkbar. Auch hat Russland es beispielsweise nicht nötig, seine Folterungen im Ausland durchzuführen, weil die Behörden dort entsprechende Rechte einfach haben. In den USA nicht, dort machen sich die entsprechenden Behörden bei so einem Vorgehen strafbar. Die Hoffnung hierbei ist, dass die USA ihre Beugung des eigenen Rechts nicht ewig aufrecht erhalten können. Im Kongress gibt es zunehmend Stimmen, die wieder ein höheres Maß an Kontrolle über die Regierung einfordern, an Öffentlichkeit der Anti-Terror-Maßnahmen. Die Demokratie in Amerika ist noch nicht tot und sie hat vielleicht die Kraft den Trend nochmal umzukehren. Neben ihrem Drang zum Patriotismus und zu einer gewissen Selbstüberschätzung bringt die amerikanische Kultur auch eine gehörige Portion Freiheitsliebe mit.
Hathagat schrieb:Das hört sich für mich jedenfalls alles nach einem großen Vertrauen in die USA an, das ich aber schon längst verloren habe.
Well, who cares? Wenn du dieses Vertrauen nicht hast, wirst du deine Gründe haben und diese Meinung darfst du vertreten. Ich persönlich habe mich jetzt seit Jahren schon mit unterschiedlichen Facetten der amerikanischen Politik befassen müssen. Von juristischen Grundprinzipien bis zum Einfluss von Michelle Obama auf die Politik ihres Mannes. Aus dieser Beschäftigung erwächst mein Vertrauen in das politische System der USA. Ich bin froh in Deutschland und nicht in diesem System zu leben, aber es hat sich in der Geschichte schon mehrfach als erstaunlich robust erwiesen und ist zu beeindruckenden Änderungen innerhalb relativ kurzer Zeit fähig. Der "War on Terror" ist nicht das letzte Wort in dieser Sache.
Hathagat schrieb:Alles in allem lese ich aus den durchaus schlüssigen Argumenten heraus, dass eine Pro-Amerika-Haltung eher daraus resultiert, dass die USA schlichtweg das - militärisch wie wirtschaftlich - stärkste "Mächtig-Dreck-am-Stecken"-Regime ist und man sich in seinem Schatten vor dem Rest dieser Regime am sichersten und stabilsten fühlen kann.
Internationale Politik ist keine saubere Sache und definitiv nichts wo man mit Dogmatismus weiter kommt. Jeder Staat dort draußen hat Dreck am Stecken. Schau nach Luxemburg. Ein kleines Land, die Armee dort hat nur einen Panzer ohne funktionierenden Motor. Dies hat Juncker aber nicht daran gehindert ausgerechnet über eine Geheimdienstaffäre zu stolpern. Das Feld auf dem die Staaten agieren zeichnet sich durch Anarchie aus. Eine Ordnung nach internationalem Recht ist in Ermangelung einer Weltregierung und auf Basis eines rein auf westlicher Logik basierendem Völkerrecht bisher noch nicht ersichtlich. Obwohl einige beeindruckende Schritte in dieser Richtung erreicht wurden. Die Mächtigeren Staaten können aber nach wie vor eigentlich handeln wie sie wollen, die einzigen die irgendetwas machen könnten wären andere mächtige Staaten. Ein Staat wie die USA, der die Aufgabe eines Welthegemons übernommen hat muss sich da zwangsläufig mehr Dreck in der Öffentlichkeit aufladen als seine Konkurrenten. Aber dies ändert nichts daran, dass die Amerikaner Leistungen erbringen, die von der ganzen Welt, auch von China und Russland abgerufen werden. Wenn irgendwo auf der Welt ein Warlord sich anschickt seine Nachbarn zu überfallen und einen Völkermord anzurichten, kommen entweder die Amerikaner oder sonst wahrscheinlich keiner. Das System ist an der Stelle nicht perfekt und mit Rechtsstaatlichkeit hat sowas im Einzelfall auch nicht viel zu tun. Aber die Pax Americana ist das was derzeit einer globalen Friedensordnung am nächsten kommt. Kein anderer ist bereit sich derart häufig eine blutige Nase zu holen und internationale Kritik einzustecken um in einer Region zumindest zu versuchen den Frieden irgendwie zu erhalten. Da geht auch viel schief, ich weis, ich sehe auch Nachrichten. Die Amerikaner verursachen oftmals auch andere Probleme und handeln sowieso nicht aus Nächstenliebe. Aber ohne ihr eingreifen wäre die Welt kein sichererer Ort. Die Konflikte würden nur anders verlaufen.
Hathagat schrieb:Eine wohl ziemlich utilitaristische Ansicht, aber keineswegs moralisch. Denn sowas wie "gemeinsame westliche Werte" denke ich zählen nicht, denn die hat die US.Regierung ja bereits sichtlich und größtenteils über Bord geworfen.
Nun, was hast du denn im Sinne der gemeinsamen westlichen Werte vorzuweisen? Wie sieht Europas Beitrag zu einer friedlichen Weltordnung aus? Wir kriegen bisher ja noch nicht einmal unsere eigene Peripherie gesichert. Russland marschiert in einem souveränen Nachbarland ein. Auf dem Balkan ist es auch nicht ruhig und wir kriegen derzeit nicht einmal die Ungarn wieder auf einen vernünftigen Pfad. Bei denen träumt Orban davon ein System ala Putin in seinem Land zu etablieren. Die Chinesen erklären das Südchinesische Meer zu ihrem Kernland, aufgrund einer Linie auf einer alten Karte, die nicht genauer erklärt wird. unabhängig davon, dass sie damit die Grenzen ihrer Nachbarstaaten eiskalt ignorieren. Die Russen betreiben eine Politik die verdächtig nach Dugins "Imperialer Revanche" klingt. Für manch einen mag sich der westliche Wertekanon erschöpfen, sobald überhaupt ein Konflikt droht. Manch einer ist sich dann nicht einmal zu schade quasi eine Nachrichtenzensur zu fordern, weil die Nachrichten von Problemen in anderen Teilen der Welt ja für uns ohnehin keinen Nutzen hätten. Ist es für dich unmoralisch allen Menschen die gleichen Rechte zuzugestehen, wohlwissen dass die Realität uns leider die Hände bindet? Habe ich für dich meine Moral über Bord geworfen, wenn ich bei manch einem Fehler der USA trotzdem sehe, dass die Ziele die richtigen waren, wobei dies den Fehler trotzdem nicht besser macht?
Amerika macht viele Fehler, aber wenn wir glaubhaft dabei sein wollen sie zu kritisieren, dann müssen wir auch bereit sein eigene Antworten auf die Konflikte in der Welt zu formulieren. Antworten von denen ich auch sage, dass sie mehr sein müssen, als das Vogel-Strauss Prinzip und eine fehlgeleitete Neutralität. Wären die Amerikaner so vorgegangen hätten wir vermutlich heute noch am Führergeburtstag schulfrei.
Hathagat schrieb:Mich würden aber auch man die Antworten weiterer "Pro-Amerikaner" interessieren, was sie dazu zu sagen haben, dass sie solch ein Unrechts-Regime ach so toll finden.
Vielleicht solltest du, rein hypothetisch, mal einfach davon ausgehen, dass die meisten keine Lust haben überhaupt irgendwas zu erklären, wenn die Frage schon vor Verachtung trieft. Ich selbst beteilige mich hier auch nur so wortreich, weil ich keine Lust hatte einen weiteren Thread im Internet zu dulden, der sich auf ein forhes "USA-Verfluche" reduziert. Es gibt durchaus Dinge die für die Amerikaner sprechen. Historische Leistungen. Ideologische Ausrichtung. Der Wert als Partner. Vorteile gegenüber anderen Partnern. Die Weltordnung die sie anbieten...
Jeder dieser Punkte alleine kann sehr langatmig be- und widerlegt werden. Welche Einstellung du vertrittst bleibt natürlich dir überlassen. Nur, frag' dich mal selber. Welchen Wert hätte es denn für dich jemandem deine Ansichten zu erklären, wenn der dir schon in der Frage zu verstehen gibt, dass er deine Meinung für Mist hält und nur nach Angriffspunkten sucht um sich selbst in seiner Ansicht zu bestätigen?
Hathagat schrieb:Aber würdest du persönlich dich denn in das Kriegsgebiet schicken lassen, wenn Deutschland dort intervenieren geht?
Wenn man mich an die Front rufen muss ist der Krieg vermutlich schon verloren.
Aber ja, ich bin nicht Teil der Armee, habe auch nicht vor dorthin zu gehen, aber im Zweifel würde dies auch vor mir oder eventuellen Kindern von mir nicht halt machen. Dabei kommt es natürlich auf den Konflikt an, aber wenn wir mit unserer Kriegsmaschiene einen Völkermord vielleicht verhindern können und diplomatische Abhilfe in der Zeit nicht möglich ist (Idealfall, ich weis), dann stehe ich zu meinen Überzeugungen.