Der zweite Teil ist sogar noch intensiver als der erste Teil. Twilights Flashbacks, besonders der in Ponyville, sind richtig großes, unter die Haut gehendes Kino, das Sich-Stellen ihrer Vergangenheit, ihrer Fehler - es macht die Schwächen der Figur aus der Serie geradezu schmerzhaft deutlich, allerdings bleibt es stets nachvollziehbar, und genau das ist wichtig für eine Geschichte: die Charaktere müssen nachvollziehbar sein, "in character" innerhalb der Geschichte - und das tun hier alle vier.
Cozy hat sich von allen wohl am meisten gewandelt in den letzten hunderttausend Jahren. Ihr hast du eine Tiefe gegeben, die sie in der Serie einfach nie hatte. In der Serie erschien sie einfach, sie bekam nie einen Hintergrund, sie war einfach immer nur die Erz-Böse und die Manipulatorin im Hintergrund, aber völlig ohne Erklärung, ohne Hintergrund, was die Figur aber unverständlich machte. Anders jetzt hier. Und obwohl sie natürlich noch Züge ihrer früheren Persönlichkeit hat (schön beschrieben mit "zuckersüß" und dem "Trällern"), hat sie offenbar eingesehen, daß sie durchaus nicht unschuldig ist - aber sie hat inzwischen was aus ihren Fähigkeiten gemacht, eben das jahrhundertelange Forschen (während Twilight einfach nur apathisch in den Ruinen von Canterlot vor sich hin vegetierte) oder das Verlängern von Chrysalis' Lebensspanne.
Das Setting steht dem des ersten Teils in nichts nach, und sogar ein kleiner H.P. Lovecraft-Teil ist mit drin: in den Ruinen oder vielmehr der Wüstung Ponyville, wo den Figuren der Gleichgewichtssinn etwas anderes sagt als ihre Augen. Natürlich bezieht sich das auf die Auswirkungen der Anwesenheit von Discord, würde aber auch zu Lovecraft (oder, im Deutschen, zu Hohlbein) passen.
Dem ganzen die richtige Eindringlichkeit geben die Lieder-Zitate von Liedern aus der Serie. Es ist nicht schwer, sie beim Lesen im Kopf zu hören - allerdings nicht wie in der Serie, sondern als falsche, bösartige Parodien ihrer selbst, in schrillen Tonlagen, ein gutes Stück Richtung Wahnsinn, dem die Figuren aufgrund ihrer hunderttausende Jahre andauernden Situation langsam anheim fallen, verschoben. Wie gesagt: das ist richtig großes Kino.
(21.03.2020)Holo schrieb: [ -> ]ich habe alles schon sehr knapp gehalten
Gerade dadurch wird die Geschichte aber hier erst richtig intensiv - dadurch, daß du dich auf das Wesentliche beschränkt hast, ohne unnötiges Ausschmücken oder das Einbringen anderer, für die Geschichte unwichtiger Figuren. So ein minimalistischer Stil funktioniert nicht immer, meistens hat man das Gefühl, daß etwas fehlt, weil das Falsche weggelassen wurde - dir ist es hier aber gelungen, genau das, was wirklich wichtig war, zu schreiben und nur das Unwesentliche wegzulassen.
Zitat:Ich hoffe, Zwielicht kann euch irgendetwas geben. Für mich war es wichtig, um richtig mit der Serie MLP abzuschließen.
Ich persönlich bin froh, daß du den Figuren immerhin ein versöhnliches Ende gegönnt hast. Der Haß, die Zwietracht untereinander, die Folgen der Vergangenheit sind klar und nachvollziehbar, es wäre allerdings schade gewesen, wenn sie auch zum Schluß hin bestimmend geblieben wären. Mit den Wünschen, Hoffnungen und Visionen, die für jeden Charakter am Ende einzeln dargestellt werden, hast du aber den versöhnlichen Abschluß geschafft, was auch den Leser mitnimmt. Ein anderes Ende, in dem sie sich einfach in Chrysalis' Höhle gegenseitig zerfleischen, wäre zwar von der Logik her auch denkbar gewesen, hätte den Leser aber unbefriedigt zurückgelassen - so hingegen ist die Geschichte für jeden (der nicht zu zart besaitet ist; ich würde mindestens ein P14, eher sogar ein P16-Ranking dafür vergeben) lesbar, ein innerer Abschluß sowohl mit Serie als auch den Figuren deiner Geschichte wird dadurch möglich.
Das eigentliche Ende (schaffen sie es, schafft Twilight es, nochmal die Kurve zu kriegen und die Sonne auf die richtige Bahn zu setzen, ohne daß sie in den Planeten kracht und damit alles beendet? Wird Chrysalis noch ein letztes Mal "Mama" genannt und sieht noch ein letztes Mal, bevor selbst ihre geborgte Zeit endgültig abläuft, den Sternenhimmel? Sieht Discord Fluttershy wieder, findet er seinen inneren Frieden?) bleibt offen... ich bin mir sehr sicher, daß das Absicht von dir ist, daß sich das eben jeder selber ausdenken soll (was übrigens eine Parallele zu den MLP-Autoren von Season 9 ist, die haben ja auch ganz bewußt Handlungsstränge aus der Serie nicht abgeschlossen). Ich könnte mir vorstellen, daß ich nicht der einzige bin, der sich einen Epilog wünscht... aber ich kann mir genauso gut vorstellen, daß sich den jeder selber denken oder schreiben soll.
Zitat:Wie mir jetzt mit weinendem und lachendem Auge auffällt ist das die erste Fanfic, die ich je wirklich beendet habe. Autsch.
Nun ja, besser spät als nie.
Genau so ist es. - Und mach dir nichts draus: "Zwielicht" ist die erste Fanfic seit rund einem Jahr, die ich überhaupt erst wieder gelesen habe. Voriges Jahr hatte ich selber mit einer komplett anderen Übersetzung deutsch ---> englisch zu tun (hat mit MLP rein gar nichts zu tun, ist ein Roman aus den 70ern), davor hatte ich Hagis "Daybreak - Schicksal der Konstrukte" verfolgt - leider unvollendet, nachdem er im April mit Ragequit das Fandom verlassen hat. Du hast es durchgezogen, und das zählt.
Mit "Zwielicht" werden deine Kritikpunkte am Serienfinale (die ja von vielen geteilt werden) erst richtig deutlich - aber wesentlich besser nachvollziehbar als in reinen Kommentaren zu den Folgen selber, wenigstens geht es mir so. Ich selber mag da vielleicht gegenüber dem, was die Schreiber der Serie mir vorgesetzt haben, sehr unkritisch, sehr "fanboyhaft" sein, und mir gefällt das Serienfinale nach wie vor (es gibt dafür genug andere Folgen, die für mich einfach nur unansehbar schlecht sind; schlimmstes Beispiel ist "Mare Do Well") - wir haben da unterschiedliche Meinungen, daran ist nichts falsch. Du hast deinen Frust über das Serienfinale aber hier in etwas Kreatives verwandelt: in eine Geschichte, die deine Meinung sehr deutlich macht, aber auch die Gründe deutlich macht und eine Lösung bietet, eine gelungene Alternative oder vielmehr Vervollständigung der gesamten Geschichte von MLP G4.
Für die englische Version empfehle ich ein persönliches Vor- oder Nachwort des Autors, in dem du eben (sachlich, natürlich) darlegst, daß du mit dem offiziellen Serienfinale unzufrieden warst, und warum das so ist. Das hilft Lesern, die deine Beiträge hier im Forum zu diesem Thema nicht kennen - gar nicht kennen können - dabei, die Geschichte einzuordnen und erst wirklich zu verstehen, denke ich.