(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]Es sei mal dahingestellt und ob jede Kunst nicht immer automatisch Naturnacharmung ist oder ob sie überhaupt die Natur nachahmen sollte. Wieso sollte elektronische Musik keine Eindrücke aus der Natur nachahmen (können)? Zumal spricht Musik die "innere Natur", also die Gefühle an. D.h. Musik ist schon mal Gefühls- und Willenssache. Also spricht sie, wie Schönberg anmerkt und ebenso auch meiner Meinung nach, richtig an, dass Musik nichts intellektuelles ist. Im Gegenteil - sie soll einem natürlichen Bild folgen.
Sie spricht nicht nur die Gefühle an, sondern auch die Bedürfnisse. Wenn ich mich entspannen will, höre ich entspannte Musik, wenn ich tanzen will, höre ich tanzbare Musik.
Elektronische Musik bewegt sich mit der Art ihrer Klangerzeugung und ihrer weiteren Verarbeitung weg von der Natur, denn sie versucht absichtlich künstlich zu sein (es existieren Ausnahmen).
"[...] Musik ist schon mal Gefühls- und Willenssache." widerspricht sich übrigens. Die Gefühle stehen dem Willen entgegen.
(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]So wie ein Stück Natur, dass schon immer sich selbst überlassen wurde; im Gegensatz zu einem rational-geplanten Garten mit festgelegten Bachläufen und Beeten, etc. Elektronische Musik kann genauso intuitiv, melodisch und natürlich sein wie jede andere Musik auch.
Schlechter Vergleich. Die Verwendung elektronischer Elemente in Musik ist wie die Verwendung von Dünger auf einem Rasen. Es macht vieles einfacher, kann in geringem Maße ohne große Schäden fördernd sein, aber ist im Überfluss Gift für den Wuchs.
(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]Soll auch heißen, dass natürliche Musik (nach dem Schönberg'schen Ideal) mit keinem Zweck behaftet ist, außer der Nacharmung von Gefühlen (und besonderes das schönste aller Gefühle: die Befriedigung des eigenen Willens) d.h. man sollte Musik in keine Zwangskleidung drängen wie in eine Geschichte wie in der Oper oder sie nicht als reine Gebrauchsmusik sehen. Besonders Tanzmusik finde ich, krankt oft daran, dass es zu sehr auf Gebrauchsmusik fokussiert ist. An dieser Sache krankt m.M.n. auch häufig die Filmmusik, die im Zusammenhang mit der Szene annehmbar ist, aber ansonsten völlig forgettable ist.
Ist es aber nun mal. Musik folgt klaren Vorgaben. Dafür existiert ja die Harmonielehre. Nicht jede Aneinanderreihung von Tönen ist gleich Musik.
Es ist auch nichts verwerflich daran eine Taktart, ein Thema oder eine Stimmung vorgegeben zu bekommen, zu der es dann Musik zu komponieren gilt. Ich brauche eine Taktart um tanzen zu können. Ich brauche auch eine Stimmung um die Ereignisse eines
Motion Picture zu untermalen.
(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]Daher hat Instrumental-Musik schon mal einen ästhetischen Vorrang, auch bei mir. Elektronische Musik ist häufig Instrumental, daher wäre auch dieser Aspekt erfüllt.
Warum hat sie das? Du schreibst "
auch bei mir", also verallgemeinerst du. Vokale Elemente sind den instrumentalen ebenbürtig. Die Stimme ist im weitesten Sinne auch nur ein Instrument, nur gibt es wenige, die es richtig beherrschen.
(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]Ein 80-Mann-Orchester muss nicht unbedingt überzeugen. Ein gutes Stück überzeugt, welches einen Grundgedanken verfolgt und also eine bestimmte Stimmung vermitteln möchte.
Es ist aber wahrscheinlicher, dass es überzeugt als (Übertreibung) ein Typ am PC. Allein die Tatsache, dass es sehr aufwendig ist ein Orchester zu arrangieren und zu dirigieren, nicht zu vergessen das nötige Talent jedes einzelnen Musikers, macht es von Vornherein schon mal sehr schwer solche Musik zu produzieren. Wer dazu fähig ist so etwas zu organisieren, der ist in der Regel auch in der Lage halbwegs gute Musik zu komponieren (Ausnahmen existieren).
(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]Je einfacher es ist, sich mit diesem Stück in diese Stimmung zu versetzen, desto höher ist die Ästhetik. Es ist sehr leicht vom Allegro von Beethovens 5. Sinfonie mitgerissen zuwerden, daher ist das Stück so bekannt: da die Stimmung bei den Meisten sofort übergeht. Daher ist das Stück so ästhetisch. Zu viel Beiwerk lenkt von diesem wesentlichen Grundgedanken ab, macht es zu "verkopft", zu unnatürlich, zu unintuitiv. Eine gute Idee braucht so ein Beiwerk nicht, sie stütz sich selbst und braucht auch keine Pfeiler, um sich zu rechtfertigen. Daher mag ich es nicht, wenn zu viele Kunstelemente integriert werden, schau mir den Song lieber ohne das Video an - es lenkt ab. Ein Standbild kann ich noch akzeptieren, da es einem Bilder an die Hand gibt. Bilder für den Intellekt und Musik für das Unterbewusste, die Gefühle. Selbes Problem bei Opern.
Ich sehe hier den Bezug zum Thema nicht.
Wenn du damit sagen willst, dass Beiwerk die Musik schlechter macht, weil es ablenkt, dann stimmt es nicht so ganz. Sie greift dann nur zusätzlich auf anderen Ebenen. Schaut man beispielsweise einen Film mit einer berührenden Szene und hört daraufhin noch einmal die Musik dazu, erinnert man sich an diese Szene, welche man mit bestimmten Gefühlen verbindet und diese auf die Musik projiziert. Allerdings muss dazu beides harmonieren. Wie schon oben geschrieben gehört ein gewisses Geschick dazu Musik zu bestimmten Gegebenheiten zu komponieren.
Der Rest lenkt dann nicht ab, sondern gehört einfach dazu. Die Musik ist nur ein Teil des Gesamtwerkes, nicht der Fokuspunkt.
(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]Ebenso finde ich eine zu hohe Komplexizität[sic!] unnatürlich. Die Natur stellt sich (jedenfalls in meinem Weltbild) klar und einfach dar. Das Klare und Einfache kann man auch in dieser Interpretation von Schönberg zum ästhetischen Ideal erheben. Ich denke, in vielen Fällen ist EDM auch einfach und klar gehalten und genügt auch diesem Anspruch.
Um mal von JayB zu zitieren:
Sowas ist ganz und gar nicht einfach, sondern hochkomplex.
Die Natur ist auch nichts einfach und unkompliziert. Allein wie der Mensch seit Jahrtausenden versucht Dinge aus der Natur mit Technologie künstlich nachzubilden und gerade einmal an der Oberfläche gekratzt hat!
(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]Die Darbringung hat mit der Naturkomponente m.E. eigentlich nichts mehr zu tun, weil eine Geige ist genauso etwas Küstliches wie ein Synthesizer. Ich weiß nur noch nicht, was du damit meist, dass für dich EDM nicht harmonisch ist.
Ich gehe mal davon aus, dass du dir nicht im klaren darüber bist wie ein Synthesizer funktioniert, geschweige denn die Aufnahme- und Wiedergabekette bei Musik.
Jedes Glied in dieser Kette verfälscht das originale Signal. Das Mikrofon, welches das Instrument aufnimmt, der Wandler, die Speicherung, die digitale Bearbeitung, das Wiedergabegerät, der Verstärker und schlussendlich der Lautsprecher.
Am Ende ist es nicht mehr die wiedergegebene Musik nicht mehr die, die sie vor der Aufnahme war. Alles was man tun kann, ist sich dem ideal einer perfekten und natürlichen Wiedergabe anzunähern.
Elektronische Instrumente sind nun nicht natürlich, da sie von sich aus keine Töne erzeugen, sondern nur Signale. Sie sind einfach keine Schallquellen. Und darum wird ein Synthesizer niemals an ein echtes Instrument heranreichen.
Das darf jetzt natürlich nicht überinterpretiert werden. Ich höre auch Musik mit synthetischen Instrumenten und habe selbst vor mir so ein Gerät zuzulegen.
(12.06.2015)Beaumaris schrieb: [ -> ]Du zitierst Schönberg, einem Begründer der Seriellen Musik und ich finde bspw. Dodekaphonie unharmonisch. Aber vielleicht hat Schönberg mit "natürlich" einfach diese atonal anmutende Zwölftontechnik gemeint, die sich ja sehr intuitiv und "improvisiert" (einfach auf dem Klavier rumhämmern ) anhört.[/spoiler]
Ich höre auch keine Zwölftonmusik, finde aber das Konzept interessant. Beim hören versucht man immer krankhaft einen Rhythmus oder ein Muster zu erkennen, das ist schon ganz witzig.