Kapitel drei: Orientierung
„Bücher! Ich habe einige zu dem Thema gelesen.“
Tageslicht.
Ich hatte die Sonne noch nie gesehen, und es war nur fair zu sagen das es immer noch so war. Dennoch strahlte das schmutzige Licht, das sich da seinen Weg durch die Wolkendecke bahnte, eine Wärme und Energie aus die ich unter den summenden Lampen aus Stall Nr. 2 noch nie erlebt hatte. Die Luft an sich wirkte falsch in diesem Licht, ungesund. Aber alles war hell. Winzige Staub- und Aschepartikel schwebten durch den Raum (Ich wunderte mich wie gesund es wohl war sie einzuatmen), und zum ersten mal erfasste ich das wirkliche Ausmaß der Welt.
Ich hatte auf einmal das dringende Bedürfnis mich unter dem Fenster zu verkriechen.
Während ich daran Arbeitete meine Nerven weit genug in den Griff zu bekommen um das (wirklich, wirklich große) Draußen zu betreten, beschäftigte ich mich mit der Truhe die ich in der voherigen Nacht entdeckt hatte. Es kostete mich zwei meiner Haarklammern aber das war es wert! In ihr lag das schönste Kleid das ich je gesehen hatte! Diese Stichführung, die Farben - Elegant und Königlich - der Stoff war leicht und weich. Ein Traum! Tragischerweise ein Traum für ein anderes, größeres Pony.
Freude und Enttäuschung vermischten sich zu gleichen Teilen. Aber selbst wenn ich es nicht tragen konnte (zumindest nicht ohne einen Schneider), war es doch das schönste und aufmunternste Ding das ich seit meiner Flucht aus dem Stall gesehen hatte. Vorsichtig legte ich es zusammen und ließ es in meinen Satteltaschen verschwinden.
In Gedanken an den Scharfschützen von letzter Nacht, suchte ich Schutz hinter einem umgestürzten Tisch und nutzte meine Magie um die Tür zu öffnen. Eine angelaufene Glocke darüber klingelte leise. Gedämpftes Sonnenlicht fiel herein und die Geräusche von draußen drangen in den Raum. Das zwitschern eines Vogels, das entfernte murmeln des Flusses. Frische Luft verdrängte die abgestandene.
Vorsichtig bewegte ich mich zum Eingang und sah mich um. Das Post-Apokalyptische Ponyville war das rottende Skelett einer ehemals gemütlichen kleinen Statt. Zwischen eingestürzten Gebäuden und verbrannten Heimen waren die Straßen übersäht mit Müll und Unrat. Und überall, grelle Gemälde von grotesker Verderbtheit. Das Graffiti beschränkte sich nicht nur auf draußen; die Raider hatten der Carousel Boutique mit nahezu extatischem Eifer ein neues Gesicht gegeben. Ich wandte mich von der Außenwelt ab, lies mein Blick den profanen Linien folgen die sich bis unter die Decke zogen. Und schrak zurück, würgte bei dem Anblick den mir das Sonnelicht über mir enthüllte – dutzende von toten und ausgetrockneten Katzen hingen von der Decke wie Dekoartikel. Ich hatte direkt unter dreien davon geschlafen.
Ich tat einen unfreiwilligen Schritt nach hinten aus der Tür heraus.
PIEP.
Was war das?
PIEP.
Ich drete mich und entdeckte eine halb vergrabene orange Scheibe auf der Erde genau vor der Tür. Ein kleines Rotes Licht blinkte auf ihr. PIEP. PIEP. PIEP.
„SCHLIEß DIE TÜR!“ Die Stimme kam aus dem Nichts, klein und mechanisch aber voller Dringlichkeit. Mein Herz tat einen Satz als ich die Tür zuschlug und zurückwich.
Die Explosion riss die Tür aus den Angeln und schleuderte sie und mich zurück in den Raum! Ich krachte in einen Wäschetisch, die rauchende Tür landete auf mir. „Uff!!“
Ich war mehr überrascht als verletzt als ich mich langsam unter der Tür hervorzog. Meine Ohren dröhnten. Eine Falle. Kein Wunder das die Raider mich nicht in der Nacht überfallen hatten. Stattdessen hatten sie mir ein Geschenk dagelassen.
„Beeil dich. Es kommen noch mehr.“ Ich konnte die Stimme kaum ausmachen; meine Ohren fühlten sich an als wären sie mit Zuckerwatte vollgestopft.
„Wer bist du?“ fragte ich, war allerdings schon dabei mir meine Feldflaschen um den Hals zu werfen und die Schrotflinte magisch zu erfassen. Ich war bestürzt darüber gewesen das mir nur noch ein Schuss verblieb; aber wenn ein Raiderpony diese Türschwelle übertreten würde dann konnte es sich auf etwas gefasst machen.
Eine vollkommen andere Stimme antwortete. „Komm raus, komm raus, woimmer du bist!“ Der Kopf eines Ponys erschien zwischen den Türrahmen, wahnsinnig grinsend und etwas zwischen ihren Zähnen haltend. Es sah aus wie ein metallener Apfel. Sie warf ihren Kopf herum, das Ding flog in den Raum aber der Stiel verblieb zwischen ihren Zähnen.
Eine Erinnerung ereilte meine Gedanken: Ich als ein jüngeres Pony wie ich auf dem Weg zu unserem Klassenraum in Stall Nr. zwei war als ein älteres Pony aus einem Eingang heraustrat und mir einen Wasserballon entgegen warf. Er zerplatzte an meinem Horn, durchnässte mich und meine Hausaufgaben. „Hey guck doch nicht so traurig blanke Flanke! Ich habe nur versucht dir zu helfen! Du weißt schon, für den Fall das dein Cutie Mark vielleicht eine Zielscheibe wird!“ Das ältere Pony hatte gelacht und sich dann beeilt in die Klasse zu kommen. Mich hatte es triefend und elend zurückgelassen.
Ich hatte aus meinem Fehler gelernt: Wenn irgendjemand etwas auf dich wirft, lass es dich nicht treffen. Lass es nicht einmal in deine Nähe kommen. Die Schrotflinte klapperte zu Boden als ich meine Magie auf den metallenen Apfel fokussierte, ihn fing und ihn zurück, hinaus aus der Tür pfefferte. Die Granate hatte gerade die Tür passiert als sie explodierte. Staub und Holzsplitter flogen mir entgegen und in meine Augen. Ein Klingeln erklang abrupt vor meinen Vorderhufen. Nach unten sehend und mir den Staub aus den Augen blinzelnd erkannte ich die Glocke von über der Tür die, ziemlich verbeult, zu meinen Füßen lag.
Meine Augen schmerzten und ich blinzelte weiter um sie endlich frei zu bekommen. Behutsam die Schrotflinte wieder hebend, schob ich mich langsam auf den Rest des Eingans zu. Gerade so machte ich das Vorderbein der Stute aus, vollkommen still. Mit einem zweiten Gedanken levitierte ich den Tisch so nach vorn das er eine Barrikade an der Tür bildete und kroch dahinter. Schnell hob ich meinen Kopf um zu sehen ob die Angehörige der Raider noch bei Bewusstsein war.
Das Bein war nicht mit dem Rest des Ponys verbunden.
Es brauchte mich eine Weile bevor ich den Rest ihres zerissenen Körpers ausmachte, gnädigerweise tot. Ich ließ mich zurück hinter meinen Schutz fallen, ein merkwürdiges Gefühl überkam mich. Ich hatte gerade jemanden getötet!
*** *** ***
Mich aus Ponyville herauszuschleichen war ein nervenaufreibendes Unterfangen.
Ich hatte schnell bemerkt das ich meinen Augen-Geradesaus-Funken vollkommen vergessen hatte. Danach war es natürlich bedeutend einfacher die Raider ausfindig zu machen und sie zu meiden. Trotz dessen das sie nach mir suchten erwiesen sie sich als mehr als nur ungeübte Jäger und eine geworfene Glasflasche oder ein mit meiner Magie zum klappern gebrachter Briefkasten erwiesen sich als ausreichende Ablenkung um an ihnen vorbei zu kommen. Ich war gerade dabei gewesen das letzte Haus zu passieren als der Scharfschütze seinen Beschuss wieder aufnahm. Der beste seiner Schüsse streifte meine Flanke – Ein Schlitz von brennendem Schmerz und rinnendem Blut. Glücklicherweise sah die Wunde schlimmer aus als das sie es war und sogar mit meinen dürftigen medizinischen Kenntnissen war ich in der Lage die Blutung zu stoppen.
Um Atem ringend erreichte ich eine kleine Baumgruppe und verkroch mich in einem kleinen Abwasserkanal. Irgendwo in der Ferne hörte ich Musik. Das grummeln meines Magens übertönte diese jedoch und erinnerte mich daran das ich den gesamten Tag noch nichts gegessen hatte. Ich ließ einen meiner Äpfel aus meinen Satteltaschen schweben und entkorkte eine der Feldflaschen. Natürlich hatte ich sie gerade an meine Lippen gesetzt als auf dem A.G.F meines Pipbucks ein rotes Licht erschien. Es kam nicht von der Stadt, sondern von weiter vorn, tiefer aus dem hügeligen Gehölz. Natürlich kam es auf mich zu. Das Ödland musste mich wirklich hassen.
Die Flasche wieder verkorkend erhob ich mich, zuckte, sirrende Hitze wallte in meiner verwundeten Flanke. Ich hob die Schrotflinte mit meinem einzigen Schuss und spitzte die Ohren.
Die Umgebung war still. Sogar die Musik war verschwunden. Dann vernahm ich ein schwaches summen. Ich hob die Flinte auf Augenhöhe, zielte über die kimme in die Richtung der roten Warnleuchte. Zuerst, sah ich nichts. Aber dann sah ich sie, eine kleine hässliche, fliegende Kreatur, aufgedunsen und abscheulich, wie sie zwischen den Bäumen umherflog. Sie entdeckte mich ebenfalls und shoss mit einem Stachel auf mich. Er verfehlte mich (teilweise, er verfing sich in meiner Mähne).
Ich zielte, doch hielt inne. Das verdammte Ding war so klein und bewegte sich so unvorhersehbar das die Chancen es zu treffen nahezu gegen Null gingen. Ich wagte es nicht meinen einzigen Schuss aufs Spiel zu setzen. Und so tat ich das nächstbeste. Ich tauchte hinter einen Baum und bereitete mich darauf vor loszugallopieren.
Eine weitere Markierung erschien auf meinem A.G.F., gefolgt von einem knisterndem Laut, anders als alles was ich bis jetzt gehört hatte. Das rote Licht verschwand und hinterließ nur das neue, welches mein PipBuck als „freundlich“ deklarierte.
„Es tut mir leid was in Ponyville passiert ist. Aber sie hat dir einfach keine Wahl gelassen. Sie hätte dich getötet.“ Es war dieselbe mechanisch, blecherne Stimme die, die Warnung gerufen hatte, die mir sicherlich das Leben geretttet hatte.
Mit einer Mischung aus Erleichterung und Verwirrung, sah ich zu wie sich der Sprite-bot meinem Versteck näherte.
„Wer bist du?“ (Was bist du? Wäre mir beinahe herausgerutscht aber ich vermutete es vielleicht unhöflich gewesen wäre.)
„Ein Freund.“ Ich hob eine Augenbraue. „Okay, noch eine Flüchtige Bekanntschaft. Aber eine die dir nichts böses will.“ Nach einer gespannten Pause, „Nenn mich Watcher.“
Ich beobachtete den Sprite-bot kritisch. „Watcher, also?“ Ich schlüpfte hinter dem Baum hervor und begann mich danach umzusehen wohin mein Apfel gerollt war nachdem ich ihn fallen gelassen hatte. Nicht weit entfernt, nahe dem Ort an dem ich die Kreatur zuletzt gesehen hatte, entdeckte ich einen Pink leuchtenden Aschehaufen. „Hast du das gemacht?“
„Bloatsprites. Das erhält man in Kombination eines Parasprites mit Taint. Ich kann die Dinger nicht ausstehen. Aber gern geschehen.“
Ich fand meinen Apfel und Levitierte ihn zu mir. „Danke. Und danke für die Warnung vor diesem … Ding da im Boden.“
„Eine Miene.“
Ich blinzelte. „W-was? Gefällt dir mein Gesichtsausdruck nicht?“
Der Sprite-bot lachte, was bei der Roboterartigen Stimme außerst merkwürdig klang. „Nein. So heißt das Ding. Der Sprengstoff im Boden. Man nennt es Miene. Sie explodiert wenn du ihr zu hahe kommst.“
„Oh“ Ich nahm einen bissen von meinem Apfel. „Das ist ja mal ein dummer Name für eine Waffe.“
Der Sprite-bot lachte erneut. Ich war etwas aus der Fassung aber dann verfiel ich ebenfalls in ein kurzes Lachen. „Und ich hab wirklich gedacht du meinst meine Miene. Hätte ja sein können das ein Roboter soetwas komisch findet.“
„Huh?“ Dafür das kein Gefühl in dieser Stimme lag, gelang es dem Sprite-bot erstaunlich gut seine Verwirrung auszudrücken.
„Du bist doch ein Roboter, oder?
Ein drittes mal dieses Lachen, auch wenn es diesmal eher an ein Schmunzeln grenzte. „Ich? Nein, das ist nur der Sprite-bot.“ Zumindest war ich nicht die einzige die diese Konversation verwirrte, auch wenn ich nun verwirrter war als vorher. „Der Sprite-bot, das bin nicht wirklich ich. Ich bin wo ganz anders; Ich habe nur gelernt wie man sich in diese Dinger reinhackt um über sie zu kommunizieren. Und um mich umzusehen.“
Ich begann zu verstehen. „Dann ist diese Musik...“
„Oh mein Gott nein. Ich schalte den Mist jedesmal ab wenn ich mich in einen von ihnen hacke. Du weist überhaupt nicht alt diese Musik mit der Zeit wird.“
Ich schluckte den Rest meines Apfels. Mein Magen fühlte sich schon viel besser an. Genau wie mein Geist, dem eine zivilisierte (wenn auch bizarre) Konversation redlich gut tat.
„Oh, meine Zeit läuft ab. Hör zu: Es gibt einige Dinge die du brauchen wirst wenn du hier draußen überleben willst. Eine Waffe (oder zumindest bedeutend mehr Munition für diese hier), gepanzerte Kleidung, ein bisschen Führung... und vor allen Dingen, Freunde.
Panzerung sollte nicht das Problem sein, auch wenn es mich schauderte bei dem Gedanken die Sachen eines toten Ponies zu tragen. Dennoch, der Streifschuss... Ich war noch nichtmal einen Tag draußen und war dem Tod schon näher gekommen als mir lieb war. Ich würde sicherlich zur Brücke zurückkehren können um mir welche zu holen.
Eine Waffe? Wenn mich die Idee Sachen von Toten abzustreifen schon zurückschrecken ließ, blieb bei dem Gedanken daran erneut zu Töten mein Herz stehen. Und Freunde? Ich hatte kein Glück mit soetwas als Fohlen. Welche Chance hatte ich also in einer Welt in der die Rettung eines Anderen vor Raidern und Sklaverei anscheinend keinen Wert hatte. Wenn es das war was ich zu tun hatte um zu überleben, dann war ich mir nicht sicher ob ich dieser Aufgabe gewachsen war.
„Was meinst du mit Führung?
Der schaukelnde Sprite-bot schwieg einen Moment. „Ich lehne mich mal aus dem Fenster und nehme an du magst Bücher, ja?“
„Naja, ja. Ich ...“
„Es gibt ein großartiges Buch für Reisende im Ödland und ich bin mir ziemlich sicher das sich eine Kopie davon in der Ponyville-Bibliothek befindet. Gib mir nur eine Sekunde... Okay, Ich hab dir die Koordinaten an deinen PipBuck gesendet.“
Meine Augen weiteten sich. „Die Ponyville Bibliothek? Du meinst den Ort von dem ich gerade mit Mühe entkommen bin? Die Stadt voller kranker, psycho Ponies? Willst du mich umbringen?“
„Du wirst mir vertrauen müssen.“
Die Erinnerung an Monterey Jack erschien vor meinem Geistigen Auge. „Warum sollte ich dir vertrauen? Ich habe dich nie wirklich kennengelernt und du versteckst dich hinter einem Roboterradio.“
„Oh, Ich weiß nicht. Wie wäre es mit dem Ich-hab-dein-Leben-gerettet-Part? Wenn ich versuchen würde dich zu töten, warum hätte ich das dann getan?
Die Stimme, Watchers hatte Recht. Befor ich allerdings etwas erwiedern konnte ertönte ein statisches Knacken und die Musik begann wieder zu spielen. (Ihr entnahm man mehrere Harmonikas und Posaunen.) Der Sprite-bot flog davon als ob meine Anwesenheit ihn nichts anginge.
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