(29.08.2013)Arie schrieb: [ -> ]http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Syrische-Rebellen-sollen-Giftgas-eingesetzt-haben/story/24592795
Ich frage mich ob das jemals in deutschen Medien abgedruckt wird... Es passt halt natürlich nicht weil die "Rebellen" ja die guten sind...
Dieser Artikel ist vom 06.05.2013 und hat nichts mit dem verehrenden Einsatz von Nervengas vor einigen Tagen zu tun. Außerdem werden in dem Artikel nur Vermutungen geäußert. Das es aber vor einigen Tagen zu einen tatsächlichen Angriff mit Nervenkampfstoffen gekommen ist, steht mittlerweile außer Frage. Die Opferzahlen stellen außerdem eine ganz andere Dimension dar. Wir reden hier von dem schlimmsten Angriff mit C-Waffen seit dem Jahr 1988, als Saddam Husseins Truppen tausende Kurden mit Giftgas beschossen haben.
Außerdem stand das im Mai auch in allen größeren deutschen Zeitungen.
Die Unterscheidung in Gut und Böse ist genauso schlecht wie in Schwarz und Weiß. Es ist eher Dunkelgrau und Hellgrau.
Natürlich kommen bei solchen Konflikten auf beiden Seiten Verbrechen vor. Auf der Seite der Rebellen sind jetzt immer häufiger Islamisten zu sehen, die Andersgläubige brutal abschlachten (da gibt es mehrere Videos zu). Aber man muss sich mal vor Augen halten, wie es zu dieser Radikalisierung und Etablierung einzelner Gruppen innerhalb der Regimegegner gekommen ist.
2011 schlug Assad mit der Hilfe von seiner Luftwaffe und seinen Panzerbrigaden friedliche Demonstrationen nieder. Die Menschen hatten lediglich eine Demokratisierung gefordert. Anstatt sich mit den Oppositionellen an einen Tisch zu setzen und über eine Erweiterung der Demokratie und der Bürgerrecht zu verhandeln, setzte er militärische Gewalt ein, gegen unbewaffnete und friedliche Zivilisten, gegen Frauen, Kinder und Ehemänner.
Und was hat der Westen getan oder die ganze Weltöffentlichkeit? Sie saß daneben und hat auf CNN mit angesehen wie diese Barbarei begann. Die UNO drohte mit Sanktionen, einige kamen durch, die meisten scheiterten an dem Veto von Russland und teils auch China im UN-Sicherheitsrat.
Bis heute gab es keine richtigen Waffenlieferungen an die Oppositionellen. Vielleicht einiges im Bereich von Handfeuerwaffen, aber damit besiegt man keine Regierung die über schweres Kriegsmaterial verfügt und eine der ''besten Luftabwehr'' der Welt hat. Es ist der sprichwörtliche Kampf von David gegen Goliath. Zumindest was das am Anfang der Gefechte so.
Assad setzt seine Luftwaffe ein und zerbombt ganze Stadtteile. Die Rebellen verfügen noch nicht einmal über richtige Panzer oder eine Panzerabwehr. Sie verschanzen sich in Gebäuden und Stadtteilen und können sich gerade einmal mit einer Guerillataktik über Wasser halten. Und die Weltöffentlichkeit sieht zu.
Und da wundert sich wirklich noch einer, dass verzweifelte Regimegegner jede Hilfe annehmen die sie kriegen können? Oder das Regimegegner einen genauso großen Hass entwickeln gegen den Westen wie gegen ihren Despoten?
Mittlerweile herrscht einigermaßen Gleichstand zwischen beiden Seiten und das auch nur, weil sich die Rebellen in bestimmten Gebieten verschanzt haben, Guerillakämpfer sind und auch Assads-Truppen immer Kriegsmüder werden.
Ich gebe allen Recht, die sagen, es dürfe kein neuer Islamistenstaat entstehen. Ich bin absolut dagegen. Aber wenn es doch passieren sollte, dann hat der Westen durch sein zögern maßgeblich dazu beigetragen. Vor 2 Jahren, als der Arabische Frühling auch Syrien erreicht hat, waren es nicht die Islamisten, nicht die Moslembrüder und auch nicht die Dschihadisten die auf die Straße gegangen sind. Es waren Menschen die Hoffnung schöpften, durch die politischen Veränderungen in der gesamten Region. Menschen die auf ein westlicheres Land hofften, auch Demokratie und so etwas wie Freiheit. Aber Assad setzte Bomben ein, bevor nur ansatzweise eines dieser Ziele erreicht werden konnte.
Der Westen griff nicht ein. Warum hätte er dies auch tun sollen? Man verstand sich mit Syrien gut, auch die Bundesrepublik hatte exzellente wirtschaftliche Beziehungen. Dem Westen wäre es lieber gewesen, wenn alles so geblieben wäre, wie es war. Syrien stellte auch keine wirkliche Bedrohung für Israel dar. Er im Gegenteil, dieses Land wirkte eher in der Region stabilisierend.
Die westliche Welt hat sich lange schwer damit getan, wirklich etwas gegen Syrien zu unternehmen. Russland hat viele diplomatische Möglichkeiten, diesen Konflikt mit möglichst friedlichen Mitteln zu beenden, verhindert. Putin möchte halt einem seiner wichtigsten Kunden, der u.a. große Mengen an Waffen kauft, nicht in den Rücken fallen.
Der Einsatz von C-Waffen ändert aber alles. Nur der Einsatz von Nuklearwaffen wäre schlimmer. Nicht um sonst hat sich die zivilisierte Welt dazu entschlossen, chemische und biologische Waffen zu ächten. Letztere sind 1970 durch die Initiative von dem damaligen U.S. Präsidenten Nixon weltweit verboten worden. Kein Land hatte es gewagt nach Hiroshima und Nagasaki noch einmal Kernwaffen gegen eine andere Zivilisation einzusetzen. Weltweit werden diese Waffen abgerüstet, zum Glück für uns alle.
Irgendwann kommt der Punkt, wo einer sagen muss: ''Bis hier hin und nicht weiter.''
Die Vereinigten Staaten haben dies als einzige Nation mit Konsequenzen verbunden. Die Rote Linie die Obama vor vielen Monaten zog, ist eine Linie, die einen einfachen Bürgerkrieg von einem schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit trennt.
Die USA haben kein Interesse an einem richtigen Krieg gegen Assad. Obama hat ein Land von seinem Vorgänger übernommen, welches gerade zwei Kriege mit teils schweren Verlusten hinnehmen musste. Das Land hatte gerade den Irakkrieg hinter sich und entsendet immer noch Truppen nach Afghanistan. 60% der US-Bürger sind gegen einen Einsatz in Syrien, trotz des Einsatzes von Nervengas. Dennoch, Obama zog diese Linie, eine Linie die schlichtweg notwendig ist um die absolute Katastrophe doch noch verhindern zu können. Wenn er jetzt nichts macht, dann ist das eine außenpolitische Niederlage. Und die kann sich der Präsident nicht erlauben.
Er muss nun die Balance zwischen seiner klaren Außenpolitik und dem innenpolitischen Druck finden. Wenn überhaupt kämen nur einzelne Vergeltungsschläge in Frage gegen militärische Einrichtungen. Präzise Schläge durch Cruise-Missile, die zwar Assad kurzzeitig schwächen werden, aber nicht den Rebellen einen wirklichen Vorteil verschaffen werden oder gar kriegsentscheidend sind. Die Botschaft ist aber klar: Keine Chemiewaffen.
Und Obama hätte lieber ein UN-Mandat. Im Notfall, wenn Russland dies verhindert, wird man wohl auch so einschreiten. Das ist zwar völkerrechtlich Illegal, aber zumindest aus moralischer Sicht notwendig.
Bei den Regimegegner hat sich eine Vakuum gebildet, welches jetzt Islamisten ausfüllen. Dies wäre wahrscheinlich nicht so gekommen, wenn man eher interveniert hätte. Das es jetzt auch Islamisten und Moslembrüder unter der Opposition gibt, heißt aber noch lange nicht, dass eine zukünftige syrische Regierung an die Islamisten verloren gehen wird. Es gibt immer noch Gruppen die westliche Standards anstreben und einen möglichst säkularen Staat.
Es besteht aber die Gefahr, dass radikal-islamische Gruppen C-Waffen oder auch B-Waffen in ihre Gewalt bringen, sollte das jetzige Regime zusammenbrechen und es steht keine starke und geschlossene Alternative zur Verfügung. Um dies zu verhindern wären in der Tat Bodentruppen von Nöten. Martin Dempsey, der höchste General der Vereinigten Staaten, machte dem US-Senat klar, dass tausende von Soldaten nötig seien um nur, mit Glück, einen Teil dieser Waffen bergen zu können. Einen solchen Militäreinsatz wäre aber aus innenpolitischer Sicht für Obama nicht möglich.
Selbst für die Etablierung einer no-fly Zone wäre eine große Anzahl von Kampfflugzeugen notwendig, denn Syriens Luftwaffe ist eine der Besten der Welt. Die Verluste auf der Seite des Westens wären politisch nicht tragbar.
Es steht natürlich immer noch im Raum, wer denn nun wirklich die C-Waffen eingesetzt hat. Eigentlich haben beide Seiten auf den ersten Blick keinen wirklichen Vorteil davon, Assad vielleicht nur wenig. Auf der einen Seite sterben viele unschuldige Menschen und die militärischen Konsequenzen der USA oder Großbritanniens wären eher gering und nicht wirklich in diesem Konflikt von Bedeutung und auf der anderen Seite wird bei einem militärischen Eingriff unnötiger Weise militärisches Material zerstört. Bei letzterem wären die Schäden im Vergleich zu den Opfern des Giftgasangriffs eher gering. Und für Assad möglich weise sogar annehmbar.
Der Westen will nun erst einmal die Ergebnisse der Untersuchungen abwarten und die Entscheidungen der Vereinten Nationen. Aber bisher scheinen Assads Truppen für den Einsatz verantwortlich zu sein. Das macht auch mehr Sinn, denn er verfügt auf jeden Fall über die entsprechenden Mittel und Verteilungsmöglichkeiten und hätte eher ein Vorteil als die Rebellen (auch wenn dieser Vorteil sehr gering ist und mit Risiko verbunden). Die zu erwartenden Vergeltungsschläge könnte er in kauf nehmen, da sie höchst wahrscheinlich sehr gering ausfallen werden und eher symbolischen Charakter haben.
Natürlich gibt es keine wirklichen Beweise für die Schuld von Assads Truppen, aber die Indizien sind erdrückend. Alle Augenzeugen berichten ganz klar: Die Raketen sind aus der Richtung von Assads-Stellungen abgeschossen worden.
Zwar sind möglicherweise auch die Rebellen (in geringer Stückzahl) an Gasgranaten gekommen, dennoch ist der Einsatz auf einer so breiten Front fast undenkbar für die Regimegegner. Ihnen fehlt das nötige Material und wenn müssten sie aus einer entsprechenden Entfernung solche Geschosse abgefeuert haben, dies kommt aber nicht in frage, da die Umgebung von Regierungstruppen kontrolliert wird.
Des weiteren kommt die notwendige Koordinierung hinzu die, die Rebellen nicht wirklich leisten können.
Am Ende bleibt außerdem die Frage: Warum sollten sie ihre eigenen Frauen und Kinder vergasen wollen für die sie doch kämpfen? Für einen geringen taktischen Vorteil, wenn es überhaupt ein Vorteil ist? Eine Intervention des Westens ist nicht 100%ig und würde, wenn überhaupt, kaum Auswirkungen auf den Krieg zwischen den Oppositionellen und der Regierung haben.
Und um noch einmal Bezug auf den Anfang meines Textes zu nehmen: Natürlich gab es auch auf der Seite der Rebellen Kriegsverbrechen, solche die es in jedem Konflikt geben kann. Aber es sollte doch wohl klar sein, sollte Assad tatsächliche solche Waffen eingesetzt haben, dann hat dies eine ganz andere Dimension. Und wenn solche Waffen von den Regierungstruppen eingesetzt werden, dann kommt der Befehl höchstwahrscheinlich von ganz oben oder zumindest von einem hohen Militär. Einzelne Verbrechen von radikalen Islamisten die in solchen Konflikten immer wieder versuchen Fuß zu fassen um spätere Politik mit beeinflussen zu können, kann man nicht repräsentativ für die ganze Demokratiebewegung und Freiheitskämpfer in Syrien nehmen.