Hab vor vielen Jahren nen Kumpel, der privat mit seinen Pokémon- und Yugioh-Decks gegen meine Turnier-optimierten Decks eine negative Statistik hatte, auf ein Pokémonturnier mitgenommen. Er baut meist Themendecks, die ihm gefallen, und versucht immer, eine Grundidee zum funktionieren zu bringen. Sein Misty-themendeck war zwar ganz witzig, aber ungeheuer schwach im Vergleich zu allem anderen, das sich nicht auf diese zwei Arenaleiter-sets versteifte.
Das Turnier war sehr groß, und er noch nie auf einem Turnier. Er hat einfach mal was gebastelt, das er für ne coole Idee hielt. Hat nicht damit gerechnet, groß etwas zu reißen.
Sein Deck ist Marke "Auf nem Turnier lesen sich sogar erfahrenere Spieler erstmal durch, was er da hat."
Ich höre zwischen den Runden "Sag mal, dein Kumpel, was spielt der denn exotisches?".
War ein Wailord-Deck. Wailord richtet 100 Schaden an, jedoch wird der Schaden verringert, wenn Wailord bereits Schaden hat. Zwar hat es 200 HP, wodurch keine Attacke es onehitten kann, doch benötigt es mehr Energie zum angreifen als ähnlich starke Decks, und hat keine Möglichkeiten, den Aufbau zu beschleunigen. Sein einziger Vorteil sind die hohen HP. Die meisten Haupt-Pokémon hatten kaum mehr HP als ihr Schadenspotenzial, was bedeutete, wer schneller aufbaut, und sein Pokémon vollständig entwickelt mit genügend Energiekarten aufs Feld bekommt, gewinnt, da es dann einfach durchsweept. Schafft der langsamer Gegner, durch Opferpokémon Zeit zu schinden, kann er es eventuell besiegen, doch ist dann im Preisnachteil, und sein Gegner hat mit Pech sein zweites Guardevoir gezogen. Wailord kann etwas besiegen, und muss sich keine Sorgen um einen Rache-K.O. machen. Jedoch ist es wie erwähnt zu langsam aufgebaut, und sobald es Schaden hatte, konnte man es nur auf eine Art wettmachen:
Die erste Attacke, die Wailord zurückzieht und um 30 Schaden heilt, war für alle uninteressant, da man das neue aktive Pokémon besiegen konnte, und sechs besiegte Pokémon die Niederlage bedeuten (jeder Spieler legt sich sechs Preiskarten zur Seite, und darf eine auf die Hand ziehen, wenn er ein Pokémon besiegt). Ein schwaches Opferlamm würde den Gegner daher wieder Gleichauf bringen. Ein zweites Wailord wäre verwundbar, direkt verletzt zu werden, da die meisten Gegner etwas schnellere Decks spielten.
Was spielt mein Kumpel? Fossile.
Fossile sind in den Videospielen Gegenstände, aus denen Urzeit-Pokémon reanimiert werden. Im TCG sind es Trainerkarten (Events bzw. Ressourcen), die ausgespielt als Pokémon im Spiel zu behandeln sind. Sie dienen zur Weiterentwicklung (da Fossilpokémon weiterentwickelte Pokémon sind, mit den Fossilien als Basis), und haben 10 HP. Doch die letzte Zusatzregel? "Geht diese Karte K.O. gilt es nicht als besiegtes Pokémon, dein Gegner zieht keinen Preis". Da stallt er sich also durch das Turnier, indem er 4 Wailmer, 4 Wailord und 16 Bucking Fossilien spielt. Killt gegnerische Sweeper links und rechts, legt sein Wailord hinten schlafen, während die Fossilien ihm bis zu 12 Extrazüge zum Atem holen holen. Das sind mehr Züge, die normale Spiele laufen sollten, und das Tempo hat er den Decks gehörig genommen und ihnen seins aufgezwungen.
Am Ende hat der Exot in das bis damals größte community-organisierte Turnier Deutschlands gewonnen, weil niemand überhaupt wusste, mit was er da zu tun hatte.
Danach haben alle Decklisten Karten gehabt, die mit der Begründung "Gegen Wailord" zumindest 1x geteched wurden. Menschen die ich kenne, die noch nie was gerissen haben, spielten plötzlich exakt dieses Deck auf Turnieren links und rechts, aber gewonnen hat diese Liste nichts mehr. Dafür hat exakt selber Kumpel danach die Top 8 der Deutschen Meisterschaft belegt, mit einem Deck, dass so seltsam und außerhalb der normalen Regeln des Metas operiert hat, dass ich bis heute nicht verstanden habe, wie es genau funktioniert (und das meine ich exakt so: Mir kommt nicht in den Kopf, wie es überhaupt existiert. Es... tut es einfach). In Runde 1 ist er dann geflogen, weil sein Deck dummerweise keine Chance gegen das Meta hatte
. Spricht aber nur für sein Talent, und dass er nicht einmal auf Strategien, Listen, oder sonstige Meta-daten geschaut hat.