Auf meinen Alltag außerhalb meines Privatlebens haben die Ponys annähernd null Einfluß. Es ist nicht so, daß ich mich nach außen als Brony zu erkennen gebe, wenn ich nicht auf dem Weg von oder zu einer Ponyveranstaltung bin – und selbst dann eigentlich nur, weil mein Seafoam-Plushie so enorm groß ist und sich schlecht verbergen läßt. Die einzigen, die mich im Real Life kennen und wissen, daß ich ein Brony bin, sind selbst welche.
Das Problem dabei sind eben die Vorurteile gegenüber MLP:FiM. Annähernd jeder, der selbst kein Brony ist, hat die, angefangen von Haters, aufgehört bei TV-, Radio-, Zeitungs- oder Zeitschriftenreportern, in deren Hirne man nicht reingehämmert kriegt, daß es das Franchise ist, das sich zum Besonderen verändert hat, und nicht die Fans, die irgendwelche halbperversen Manchildren sind. Deshalb halte ich mich eher bedeckt.
Klar, ab und an investiere ich Geld in Ponybezogenes, etwa Panini-Comics, Blindbags oder sonstiges interessantes Merch oder auch mal größere Summen in den Besuch von Ponyveranstaltungen. Oder indirekt haben die Ponys meine Art des privaten Musizierens beeinflußt; ich lege meine Musikmaschinerie seitdem auch auf andere Stilistiken aus als vorher. Nicht nur, aber auch. Und bevor ich ein Brony war, wäre ich nie auf die Idee gekommen, selbst zu komponieren. (Nein, ihr habt von mir noch keine Musik gehört. Mea culpa. Noch nicht.)
Was auch schon genannt wurde, was ich bestätigen kann, ist die soziale Komponente zwischen den Bronies. Die spielt bei mir schon deshalb eine große Rolle, weil ich ohne Arbeit und Band wohl ein ziemlicher Eremit wäre. Bevor ich ein Brony war, war ich in keiner Online-Gruppe, die derart groß aktiv war, daß sich im Real Life viel ergeben hätte. Vielfach wurde auch gar kein Wert drauf gelegt. Vor allem waren das zwei Fandoms, von denen eins relativ klein ist und an sich kein Bedürfnis an Treffen hat. Da hatte ich auch nie ein organisiertes Treffen außer mit einem, dem ich ein paar Tonträger abgekauft habe. Das andere trifft sich schon gern, ist aber so winzig, daß allein schon die Amerikaner über Riesendistanzen reisen müssen, um sich in einem Grüppchen von vielleicht einem Dutzend Leuten zusammenzufinden. Da habe ich es auf drei Male innerhalb von gut drei Jahren geschafft, mich mit maximal acht Leuten aus aller Herren Länder zu treffen. Das letzte Mal – und erste Mal seit Sommer 2010 –, daß ich jemanden aus diesem Fandom traf, war ausgerechnet auf der Brony Fair (derjenige ist ACRacebest).
Das änderte sich mit dem Bronytum rasant. Das war schon ein paar Monate, nachdem ich dazugestoßen war (Anmeldung auf Bronies.de im Juli 2011 als User Nr. 15), groß genug fürs erste deutsche Meetup. Das war damals im Oktober 2011 in Düsseldorf, eigentlich ein NRW-Treffen, aber was anderes stand nicht in Aussicht, also bin ich nach Düsseldorf runtergefahren.
Und dann ging alles ganz schnell. Ich hatte Ideen für Treffen, die dann auch wahr wurden, aber weit über das hinausgingen, was ich mir vorstellte. Zum einen wollte ich mich in Hamburg mit jemandem treffen. So entstand der Hamburg-Stammtisch, im November waren wir noch fünf, in den nächsten Monaten vervielfachte sich die Zahl derart, daß wir eine neue Location brauchten. Zum anderen hatte ich die in meinen Augen verwegene Idee eines Treffens irgendwo um den Frühlingsanfang herum mit Winter Wrap-up als Motto. Das war im März 2012 in Frankfurt mit 85 Teilnehmern, weil das Fandom mittlerweile angefangen hatte zu explodieren. Ende Juli war dann gleich die GalaCon mit 400 People (die Monate vorher ausverkauft war) und so weiter.
Mich erstaunt immer wieder, wie groß und wie aktiv dieses Fandom geworden ist, das ja trotzdem auf eine Art immer noch Underground ist, weil es wegen der Vorurteile nicht richtig ans Tageslicht kommen kann und schwerlich so anerkannt werden kann wie andere Fandoms (
Star Trek,
Harry Potter,
Twilight usw. und natürlich die ganze Otaku-Szene). Gleichzeitig ist es aber auch nicht so gigantisch, daß man völlig in der Anonymität untergeht, wenn man sich, was weiß ich, außerhalb seiner Ortsgruppe bewegt. Man wird auch nicht komisch angeguckt, man ist gewissermaßen ein Verrückter unter Verrückten.
Das Bronytum hat ja auch immer noch einen beachtlichen Anteil an Leuten, die wirklich was machen. Das ist also nicht die große graue anonyme Masse der Fan-Konsumenten, die vielleicht noch miteinander on-topic diskutieren, und dazwischen einige wenige, die wirklich anerkannte Beiträge leisten. Das Bronytum zieht vielfach ambitionierte oder kreative Leute an, die teils vielleicht noch gar nicht wissen, daß sie ambitioniert oder kreativ sein können. In letzterem Fall fühlen sie sich inspiriert und beschließen einfach mal, was zu machen.
Fanart und Fanfiction hat man überall, aber hier geht's noch viel weiter. Es gibt etliche Fanmusiker in einer ziemlichen Bandbreite an Qualität und Genres, darunter auch wirklich richtig gute, die ihr Genre nicht danach picken, was unter Bronies gerade am populärsten ist. Ich meine, wieviele Fandoms gibt's mit derart viel Fanmusik, anteilig gemessen an der Größe des Fandoms, daß mehr als ein Dutzend Internetradios damit betrieben werden kann? Oder gleich eine ganze Anzahl an Fan-Animatoren. Oder Leute, die Conventions oder überregionale Meet-ups aufziehen oder dabei helfen, welche aufzuziehen. Oder die sich karitativ engagieren im Rahmen des Fandoms.
Klar, da kommt letztlich auch eine ziemliche Menge berühmter Bronies bei raus. Da muß ich auch aus eigener Erfahrung sagen, anfangs hat man vor denen einen Heidenrespekt. Das sind VIPs, berühmt und begehrt und so, da bleibt man lieber vorsichtig auf Distanz. Das hatte ich locker zwei GalaCons lang. Wenn jemand irgendwie einen Namen hatte, wenn er namentlich im Programmheft oder auf der Website genannt wurde oder so – VIP mit Spezialbehandlung, also Vorsicht walten lassen und Abstand halten. Bloß nicht aufdringlich sein. Die werden schon genug belagert.
Letztlich sieht das alles aber ganz anders aus. Kaum ein Brony ist je wegen seines Horsefame total abgehoben. Unterm Strich sind wir alle Menschen, wir sind alle Bronies, wir sind alle irgendwie verrückt. Und gerade in dem Metier, das scheinbar die meisten horsefamous Leute hervorbringt, die Musik, kann ich sagen: Wir sind alle Musiker. Auch wenn ich den Beweis immer noch schuldig bin, daß ich einer bin. Ich meine, guckt euch mal Musikerpanels von Bronyconventions an, guckt sie euch live an oder auf YouTube. Vielleicht denkt ihr von so manchem berühmten Musikbrony, der ist so horsefamous, der muß der total exaltierte Rockstar sein. Tatsächlich sitzt da vorm Publikum ein Haufen lustiger, sympathischer Schraubelocker-Kandidaten und hat seinen Spaß, und du denkst, ey, die sind total bodenständig, das sind Bronies wie du und ich, nur daß die mal mit Musik Erfolg hatten.
Wie gesagt, früher war ich da vorsichtig. 2012, als wir noch eine 400-Leute-Con waren ohne Stargäste aus Übersee, waren das Leute wie Icky und Rautakoura. Das heißt, generell wußte ich nicht, ob nicht vielleich noch jemand irgendwie horsefamous ist und eine Spezialbehandlung gebraucht hätte. 2013 war das vor allem erstmal John Joseco, der ganz aus Kalifornien eingeflogen worden war. Ich hab ihn nicht gefragt, ob er mir was zeichnet. (Gilt Perrydotto eigentlich als berühmt? Die fragt mich nämlich immer, was sie mir zeichnen soll.) Ich glaub, was wirklich anfing, das Eis zu brechen, war, als Icky
mich ansprach, als ich hinter meinem mitgebrachten Instrumentarium saß.
GalaCon 2014 war dann ganz anders. Ich war nicht aufdringlich oder so. Aber ich hab mich nicht mehr aufgeführt, als stünde zwischen den horsefamous Leuten und mir ein verzinkter Gitterzaun mit einer Phalanx an Ordnern. Und da waren Leute, die waren wirklich horsefamous. Pixelkitties, die Künstlerlegende, etwa. Die war total locker drauf. EileMonty, eine der berühmtesten Stimmen im ganzen Fandom, hat mich angesprochen – auch wenn das vor ihrem Stand war, was soll's, laß ich gelten. Und The Living Tombstone ist einer, dem liegt nun wirklich das Fandom zu Füßen. Ich bin nicht ausgeflippt, als er hinter mir in der Schlange stand.
Um noch einmal aufs Karitative zurückzukehren: Mich erstaunt immer wieder die Hilfsbereitschaft in diesem Fandom. Das beschränkt sich nicht nur darauf, größere Fanprojekte aufzuziehen – die GalaCon kriegt ihre Leute nicht nur, weil die entweder glauben, dadurch kriegen sie einen Namen im Fandom, oder einfach nur für lau auf die GalaCon wollen –, sondern das geht noch viel weiter. Wie gesagt, Charity-Geschichten. Zu jeder Convention, die was auf sich hält, gehört eine Charity-Auktion. Und da kommen echt ziemliche Summen zusammen – wenn ich so daran denke, daß die 2012er GalaCon mit 400 Leuten mehr Geld zusammengebracht hat als die BronyCon um dieselbe Zeit mit 4000 Leuten. Es gibt wirklich nicht wenige Bronies, die sitzen da im Publikum und sagen sich: Hey, es ist für einen guten Zweck, hier, nehmt mein Geld! Dabei ist es unerheblich, ob es um ein Schulprojekt in Afrika oder um Straßenkinder in Berlin geht.
Aber selbst wenn es Bronies sind, die irgendwie in der Klemme stecken, ist die Hilfsbereitschaft groß. Ein Brony, noch nicht mal überragend horsefamous, braucht medizinische Behandlung, die er aus eigener Tasche zahlen muß, oder sonst für irgendwas Geld, das er nicht selbst aufbringen kann. Das ist hier nun wirklich kein Riesenfandom, aber trotzdem finden sich immer Bronies, die bereit sind, per Crowdfunding zu helfen.
Das kann man auch wieder mit der Serie in Verbindung bringen. Man sehe sich nur mal das Setting an. Eine Welt, die bevölkert wird von bunten Ponys. Die haben viele unserer Probleme nicht. Die Verbitterten, die Zyniker, die von der Welt Enttäuschten, das gibt's da alles nicht. Aus unserer Sicht ist das ziemlich eine heile Welt. Und dann sind da ganz besonders diese sechs Ponys, die Mane Six, die auf ihre Art versuchen, diese Welt noch etwas besser zu machen – und wie Episode 100 gezeigt hat, eigentlich nicht nur die, sondern jedes Pony trägt auf seine Art dazu bei. Auf seine Art. Das tun auch die Mane Six, die werfen jeweils ihre individuellen Fähigkeiten und Stärken in die Waagschale und machen das Beste daraus.
Vielleicht haben einfach viele Bronies sich gefragt: Warum können wir Menschen das nicht? Was hält uns davon ab, uns ein bißchen von der Attitüde dieser Ponys anzueignen? Und sie haben festgestellt:
Sie hält niemand davon ab. Sie müssen nur machen. Und das taten sie. Keine aufopfernden halsbrecherischen Abenteuer, sondern zumindest mal eine positivere Einstellung und mehr Freundlichkeit.
Das dürfte auch ein Grund sein, warum das Bronytum nie wirklich dauerhaft durch irgendwelche Zickenkriege gespalten wurde in Fraktionen, die einander zutiefst spinnefeind sind. Meines Wissens haben sich selbst die Bronies von Bronies.de und die Facebook-Bronies spätestens mit der 2012er GalaCon vertragen, möglicherweise schon um das 2012er Winter Wrap-up herum, zu dem beide Gruppen eingeladen wurden.
At the end of the day, we're all bronies.
(01.06.2015)Smilley schrieb: [ -> ]Ich denke, die Vorurteile sind weitestgehend bekannt: schwul, pedo, zoophil, geistig zurückgeblieben, autistisch, etc.
Viele neue Fans sehen sich selbst mindestens einem dieser Vorurteile entgegen - ist es "normal", dass mir die Serie gefällt? Daher rührt auch die frühe Closet-Brony Phase. Man will's sich oft selbst nicht eingestehen.
Das ist immer die kurze erste Phase. Der folgt eine zweite, in der man es sich selbst eingesteht, aber für sich behält. Die wiederum wird überwunden, wenn man wirklich in Kontakt kommt mit anderen Bronies, also mit anderen Leuten, die so drauf sind wie man selbst. Und dann blüht man als Brony auf.
(01.06.2015)Smilley schrieb: [ -> ]Du hast aber auch eine gute Sache angesprochen - wie schweißt uns das zusammen?
Ich denke, das hängt stark mit der introspektiven Phase zusammen. Man kommt mit dem eigenen Interesse an der Serie mit sich selbst klar, oft, bevor man in Kontakt mit den anderen Fans kommt. Und man kommt drauf - bewusst und unbewusst -, dass man nicht alleine ist. Man kann sich mit anderen austauschen, die etwas Ähnliches durchgemacht haben - oder gerade durchmachen. Ohne Vorurteile, ohne das Bangen im ersten Moment. Du kannst, im Forum oder auf einem Meetup, an irgendwelche Leute herantreten und gleich losplaudern, ohne dass es für jemandem seltsam wäre. Und natürlich hat man gleich ein Thema, um das sich ein Gespräch entwickeln kann.
Das ist es. Im Grunde sind wir alle Freaks. Aber im Bronytum finden wir Freaks gleichgesinnte Freaks, die wir "da draußen" nicht finden dürften, gerade weil wir so eine nach außen kontrovers bis abstoßend wirkende Vorliebe haben. Und wer offen genug ist und für die Ponys empfänglich, der wird sich auch denken können, daß MLP:FiM keine misanthropen Gewohnheitszyniker oder egozentrischen Arschlöcher mit Ellenbogenattitüde hervorbringt, im Gegenteil.
(01.06.2015)Smilley schrieb: [ -> ]Ich finde auch, dass die Botschaft der Sendung - Love and Tolerate - nicht nur plakativ nachgesagt, sondern vom Großteil des Fandoms wirklich gelebt wird.
Na ja, es ist mittlerweile klar, daß sich das nicht pauschal so leben läßt. Und man bedenke auch, daß dieses Credo von 4chan kommt und seinerzeit genutzt wurde als Reaktion auf Haters, gegen die eben nicht geraget wurde (das wollten die, das erwarteten die), sondern die statt dessen geflauscht wurden. Aber die Serie bringt dennoch eine solche Botschaft rüber und inspiriert dazu, sie sich anzueignen, was viele auch wirklich tun, und in einem
Equestria Girls-Song (!) wird es inzwischen beim Namen genannt.
(01.06.2015)Smilley schrieb: [ -> ]Aber ich habe auch grundsätzlich das Gefühl, dass die heutige Jugendgeneration das dauernde Zanken und Unterdrücken, sei es politisch, religiös, wirtschaftlich oder auf Grund sexueller Vorliebe satt hat. Web 2.0 hat die Menschen, die es regelmäßig nutzen, näher zusammengebracht.
Das kommt dazu. MLP:FiM war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und traf auf das richtige Publikum. Und die alten Grenzen gelten für die heutigen Generationen nicht mehr. Schon gar nicht, wenn man so etwas gemeinsam hat.