Emmanuel Goldstein schrieb:Ich finde sie alles andere als harmlos. Hättet ihr es auch als harmlos und aus dem Zusammenhang gerissen abgetan wenn es Trump gesagt hätte? Ich sag euch gleich, wenn ihr mir zeigen könnt wo Trump etwas vergleichbares in einem vergleichbaren Zusammenhang sagt, dann kritisiere ich Trump genauso dafür wie ich jetzt Biden für seine Aussage kritisiere, weil es geht doch darum sich von Rassismus zu distanzieren.
Nein. Es geht nicht darum sich vom Rassismus zu distanzieren. Hier geht es um Joe Biden. Wenn du dem Rassismus unterstellen willst indem du eine seiner Aussagen brutal missverstehst dann kann da auch Rassismus rein kommen. So wie Rassismus ein Thema im Trump-Thread war, zu dessen vielen Problemen auch offener Rassismus gehörte.
Hier wird auch nichts abgetan. Du hast Bidens Aussage nur stark fehlinterpretiert. Ich fürchte mit Absicht, weil du vielleicht hoffst "den Spieß umzudrehen", weil du dich ja offensichtlich noch nicht damit abfinden kannst, einen offenen Rassisten wie Trump verteidigt zu haben, aber ich lasse mich da gerne eines besseren belehren.
In diesem Zusammenhang. Einige sind schon auf den Zusammenhang der Rede und deine leider unzureichende Quellenkritik eingegangen. Lass mich also noch ein kleines bisschen mehr Erklärung liefern. In der Hoffnung damit zum allgemeinen Verständnis beizutragen.
Emmanuel Goldstein schrieb:Aber warum ist Amerika aufgrund der Schwarzamerikaner dem Untergang geweiht wenn man kein Fortschritt bei der "Rassengleichheit" macht? Warum denkt er Weiße würden eine Minderheit werden? Und warum wäre das überhaupt ein Problem? Warum würde es anscheinend weniger "Rassengleichheit" geben wenn es mehr Latinos gibt? Sind Latinos "rassisch" weniger "gleich"?
Zuerst einmal: Der Rassismus ist ein tiefgehender Bestandteil der US-amerikanischen Geschichte und Kultur. Das ist nicht schön, aber in Anbetracht der Vergangenheit auch nicht zu vermeiden. Traditionell fällt der Blick da oftmals zuerst auf das Verhältnis von Weißen und Schwarzen. Die Rede von Biden spielt genau darauf als erstes an, indem sie die Afro-Amerikaner so hervor hebt.
Ich denke wir müssen nicht darüber diskutieren, dass die schwarzen US-Amerikaner noch immer eine Art Bürger zweiter Klasse sind. Es existiert noch immer weitreichende systematische Diskriminierung gegen sie und ich denke wir sind uns alle einig, dass das nicht gut ist.
Hier sind wir bei der ersten Aussage die du kritisierst. Warum ist Amerika dem Untergang geweiht, wenn man keine Fortschritte bei der Rassengleichheit macht? Weil die klassischen Machtverhältnisse, die das System trotz seiner rassistischen Mängel am Laufen hielten immer mehr in sich zusammenfallen und daher nicht mehr in der Lage sind den Konflikt am eskalieren zu hindern.
Dazu muss man verstehen, dass die amerikanische Gesellschaft von Weißen dominiert wurde und noch immer wird. Systematische Unterdrückung einer Minderheit, bewusst oder unbewusst, kann relativ problemlos aufrecht erhalten werden, wenn eine Mehrheit nur eine absolute Minderheit unterdrückt. Schwarze wurden in den USA noch nie gleich behandelt. Es ging ihnen sogar wesentlich schlechter als heute, aber das die Schwarzen nur eine Minderheit waren, konnten ihre Interessen von der Politik auch getrost ignoriert, oder sogar bekämpft werden. Die wahlentscheidenden Stimmen kamen von den Weißen und die wollten im Zweifel keine Schwarzen in ihrer Nachbarschaft. So hat sich das System, in vielen Fällen auch ganz ohne bösen Hintergedanken selbst erhalten. Im Grunde hat eine Mehrheit ihre eigene Existenz auf Kosten einer Minderheit privilegiert. Für die Stabilität des Systems war das nicht hinderlich. Auch Demokratien können so funktionieren, weil die Vertretung der Mehrheitsinteressen zum System dazu gehört.
Aber diese Zeiten gehen ihrem Ende entgegen. Denn die Weißen werden von der Mehrheit, zu einfach einer Minderheit unter vielen. Damit aber ändert sich die Dynamik fundamental. Die systemischen Unterdrückungen, die man lange Zeit einfach ignorieren konnte, sind nicht mehr zu übertünchen, wenn eine Minderheit im Land gegenüber der breiten Masse privilegiert wird. Um die Privilegien zu erhalten müsste das System zu immer härteren Repressionsmaßnahmen greifen, was die Republikaner schon sehr bereitwillig vor Trump verfolgt haben, unter Trump dann noch einmal verstärkt. Eine Demokratie, die eine Minderheit besser behandelt als die Masse ihrer Bürger kann entweder die Gleichberechtigung fördern, oder muss aufhören eine Demokratie zu sein. Das ist die Zukunftsfrage vor der die Amerikaner stehen. Entweder wird die Rassengleichheit gefördert, oder das Land wird sich nicht mehr als demokratische Republik halten lassen.
Der Verweis auf die Latinos bringt das dann noch einmal verstärkt zur Sprache. Die Latinos sind die am stärksten anwachsende Volksgruppe in den USA. Eine US-amerikanische Demokratie wird stärker von Latinos beeinflusst werden, weil die zwar nicht so absehbar die Mehrheit, aber schon bald die größte Minderheit im Land darstellen werden. Und eine vergleichsweise junge Minderheit noch dazu, weshalb das Land in Zukunft jede Menge Arbeitskräfte und Führungspositionen aus den Latinos wird rekrutieren müssen.
Es ist die Schicksalsfrage der USA. Man war bisher eine Demokratie mit stark verwurzeltem Rassismus, weil man es sich durch die Dominanz einer einzigen Bevölkerungsgruppe erlauben konnte, Probleme zu ignorieren. Wenn das Land aber eine Demokratie bleiben soll, muss es sein rassistisches Erbe konfrontieren und einen Weg finden, die neuen Verhältnisse politisch abzubilden.
Ich kann sogar anerkennen, dass man aus Joe Bidens Worten Rassismus herauslesen kann, wenn man vollkommen unwissend über die Zukunftsszenarien der amerikanischen Gesellschaft ist. Du scheinst zwar mal da gewesen zu sein, aber ich könnte absolut nachvollziehen, dass die Auseinandersetzung mit der Debatte bei dir fehlt. Deshalb habe ich mir mal die Mühe gemacht das hier ein bisschen darzulegen.
Biden hat schlicht nichts rassistisches gesagt. Um das noch einmal rein zu hämmern. Hier eine kleine "Übersetzung" meinerseits, für Menschen, die anscheinend nicht so viel zum Thema US-Rassenkonflikt wissen:
Zitat:If we cannot make significant progress on racial equity, this country is doomed! It is doomed not just because of African-Americans, but because by 2040 this country is going to be minority white European. You hear me? Minority white European, and you guys are going to have to start working more with Hispanics, who make up a larger portion of the population than y'all do
Übersetzung: Dieses Land ist verloren, wenn wir keinen Fortschritt bei der Rassengleichheit erreichen. Es ist nicht nur wegen
dem langanhaltenden Rassenkonflikt zwischen Schwarzen und Weißen an den alle zuerst denken verloren, sondern weil 2040
in unserem Land keine Rasse mehr in der Mehrheit sein wird, sondern alle nur ein kleiner Teil des Ganzen sind, weshalb wir spätestens dann unsere Rassismusprobleme nicht mehr hinter demokratischen Mehrheiten verstecken können. Ihr müsst auch alle lernen,
dass Hispanier eine entscheidende politische Macht neben den Weißen sein werden und entsprechend berücksichtigt werden müssen, zumindest wenn wir das mit der Demokratie weiterhin ernst meinen.
Exkurs: Da das US-Wahlrecht ein System mit nur zwei relevanten Parteien fördert, haben sich die beiden potentiellen Antworten auf diese Veränderung ziemlich genau auf das System beider Parteien hin orientiert. Die Demokraten stehen für eine Politik der Inklusion. Was man selbst diskutieren kann, aber in der dortigen Partei gehört es mittlerweile zum guten Ton für Politiker, wenigstens ein paar Sätze spanisch in ihre Reden einfließen zu lassen und Latinostämmigen auf Posten zu verhelfen.
Die Republikaner haben die andere Antwort gewählt. Du erinnerst dich? Aufhören eine Demokratie zu sein! Nun, die dortige Partei würde das niemals offen sagen und viele Republikaner an der Basis würden sich solche Unterstellungen zu Recht verbitten. Aber die Politik, die seit einigen Jahren von dieser Partei kommt und von Donald Trump massivst befördert wurde, ist eine Politik der Ausgrenzung. Die Wahlunterdrückung von Latinos und Schwarzen hat neue Höhepunkte erreicht. Bei bewaffneten Rechtsextremen ist die Partei handzahm, bei demonstrierenden Schwarzen fürchtet man sofort die "plündernden Barbaren". Klar, vielen wird nicht vorschweben, dass die USA sich in einer neuen Verfassung einen neuen Staat basteln, der dann keine Demokratie mehr ist. Aber die republikanische Politik zielt darauf einen Staat zu schaffen, in den so wenige Nicht-Weiße wie möglich rein kommen, in dem Nicht-Weiße soweit möglich nicht bleiben und dauerhaft der schön privilegierte Zustand aufrecht erhalten werden kann, der für die republikanische Wählerschaft so angenehm war. Ich bin mir sicher, dass sich die meisten Menschen nicht einmal klar sind, dass ihre Republik eine solche Politik nicht ewig überleben kann. Aber wenn man schon nicht demographisch in der Lage ist den Sonderstatus für Weiße zu erhalten, dann versuchen es die Republikaner durch Verfahrenstricks. Demokratie auf dem Papier, aber effektiv, durch geschickt platzierte Vetomacht, eingesetzte Richter und Wahlkreisschiebung nach Bedarf soll die Vormacht der Weißen eben gegen den Willen der Mehrheit erhalten werden.
Wo das hinführt haben wir gesehen. Weil er Rassist ist hat Donald Trump alle Rassisten des Planeten motiviert. Als er jetzt abgewählt wurde, wollten viele seiner Anhänger die Niederlage nicht wahr haben und eine große Menge war sogar bereit bewaffnet das Kapitol in Washington zu stürmen. Wäre Trump nicht so faul und unfähig, die USA hätten vielleicht schon diesen Monat aufgehört als Demokratie zu existieren. Aber der Coup verpuffte, noch...