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09.05.2024, 12:06



Eure Meinung zur Meinung
#1
16.02.2016
Chase Offline
Changeling
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Beiträge: 889
Registriert seit: 22. Apr 2013

Eure Meinung zur Meinung
Ich möchte hiermit mal ein Thema ansprechen das besonders in der heutigen Medienlandschaft immer wieder aufkommt. Meinungen und die Freiheit sie zu äußern.

Das deutsche Grundgesetz ist dazu relativ eindeutig (wenn man bei Beamtendeutsch jemals von eindeutig reden kann)

Grundgesetz Artikel 5 schrieb:(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Auch in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN ist ein entsprechender Artikel vorhanden:
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Artikel 19 schrieb:Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

Heißt auf gut deutsch. Jeder darf eine Meinung haben, jeder darf sie vertreten und verbreiten ohne dafür direkt verurteilt zu werden.

Jetzt ist die Frage wie lange. Ist unser Recht auf Meinungsfreiheit gut? Kann man es verbessern und wie sieht es mit Missbrauch des Rechtes aus?


Ich glaube, dass die Meinungsfreiheit gleichzeitig unterschätzt und überschätzt wird. Wir sind es gewöhnt unsere Meinung frei äußern zu können. Kaum einer kennt noch Zeiten in denen das nicht so war. Allerdings ist dieses Recht auch kein Freifahrtsschein für Hetzredner. Weil jemand eine Meinung äußern darf heißt das nicht, dass er dies ohne Kritik tun darf. Es ist völlig legitim eine Meinung anzugreifen und zu kritisieren. Ja, selbst ihr zu widersprechen ist erlaubt.

Ob ein Mensch legitim eine Meinung vertreten darf möchte ich mit einem kurzen Schlusswort zusammenfassen:

Wer seine Meinung nicht einmal vor dem rhetorischen Sperrfeuers eines einfachen 'warum' verteidigen kann, hat das Recht diese Meinung, in der Öffentlichkeit, zu vertreten verwirkt

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#2
16.02.2016
Malte279 Offline
Origamipony
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Beiträge: 2.063
Registriert seit: 16. Dez 2014

RE: Eure Meinung zur Meinung
Ich denke dass die Meinungsfreiheit innerhalb der geltenden Gesetze (die Aufrufe zu Verbrechen, Volksverhetzung und dergleichen untersagen) ein sehr wichtiges und schützenswertes Gut ist und das man extrem vorsichtig damit sein sollte daran etwas ändern zu wollen.
Eine Folge davon ist dass man oftmals auch mit Meinungen konfrontiert wird die, vor allem durch ihre Ablehnung genau der Werte, die unter anderem die Meinungsfreiheit ermöglichen, ziemlich furchtbar sind.
Was aber die Vertreter solcher Meinungen allzuoft nicht zu begreifen scheinen ist, dass sie diese Meinungen zwar äußern, dabei aber nicht erwarten dürfen keinen heftigen Gegenwind von den Meinungen der andereren Seite zu bekommen.
Manche scheinen der Ansicht zu seien, dass ihre Meinungsäußerungen nicht kritisiert werden, oder Rückschlüsse über die Geisteshaltung der sie äußernden Person gezogen werden dürfen wenn sie mit Phrasen wie "Das wird man doch noch sagen dürfen...", "Es war ja nicht alles schlecht..." oder "Ich bin nunmal politisch unkorrekt..." versehen werden.
Wer das hohe und schützenswerte Recht in Anspruch nimmt die eigene Meinung zu äußern muss dieses Recht auch anderen zugestehen und darf nicht davon ausgehen die eigene Meinung nicht von anderen auseinandergenommen zu sehen, besonders dann wenn sie mehr auf Wut, Vorurteilen, Angst vor unbekanntem etc. als auf stichhaltigen Argumenten gründet.

PS: Ein Hauptproblem dabei ist natürlich, dass eine Meinung die zwar bar jeder Fakten ist aber einfache Schuldzuweisungen für kompliziertere Probleme bietet ala "Das sind doch alles Terroristen die uns die Arbeitsplätze wegnehmen" bei vielen Leuten eher hängenbleiben als die nüchternen Fakten, die sich nicht nach einfach zu grölender Stammtischparole anhören. Dieses Problem kann aber nach meinem Dafürhalten nicht durch Verbote sondern einzig durch bessere Bildung und Aufklärung erreicht werden. Es wäre wirklich wünschenswert wenn diesbezüglich auch jenseits von Wahlkampfversprechen noch wesentlich mehr getan würde als bisher.

Bis April 2020 war mein Name hier Mike84.
[Bild: ddvxj0k-2b272180-8426-4a2a-97c3-1140871b...7jLsAqn00g]     [Bild: meine_fanfiction_by_malte279-dao4mgb.png]
Ich freue mich sehr über Feedback und konstruktive Kritik zu meinen Projekten und meiner Fanfiction.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 16.02.2016 von Malte279. Bearbeitungsgrund: Inhaltliche Ergänzung )
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#3
16.02.2016
Simaris Offline
Draconequus
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Beiträge: 5.349
Registriert seit: 07. Feb 2013

RE: Eure Meinung zur Meinung
Ka. worauf du hinauswillst aber es ist gut so... und auch Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen wie du sogar selber zitiert hast:

Zitat:(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Referenziert: Aktuelle Fälle von JuliensBlog, Rechtes Gedankengut etc.
Was mir grad auffällt würde bei JuliensBlog sogar alle 3 Dinge zutreffen (Volksverhetzung/Jugendschutz/Ehrverletzung).

Alles andere ist eben Okay, Beleidigungen btw. sind keine Meinungsäusserungen.
Meinungsäusserungen sind neutral gehalten.

[Bild: ersatzsig.png]
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#4
16.02.2016
Malte279 Offline
Origamipony
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Beiträge: 2.063
Registriert seit: 16. Dez 2014

RE: Eure Meinung zur Meinung
Gerade beim Thema Beleidigungen kann es allerdings sehr, sehr schwierig werden die genaue Grenze zu ziehen wo die Meinungsäußerung aufhört und die Beleidigung anfängt. Wenn dann auch noch der Zusatz dazu kommt dass eine Meinungsäußerung die als beleidigend empfunden wird satirisch gemeint war, von einer Seite der Vorwurf der übertriebenen political correctness und von der anderen Seite der Vorwurf unter dem Vorwand von Meinungsfreiheit Beleidigungen auszuteilen kommt, wird schnell deutlich dass es da Fälle gibt wo es sehr schwierig ist objektiv zu entscheiden.
Ich habe Pegida Mitbegründer Lutz Bachmann für seine Auftritte wiederholt als "Karnevalshitler" bezeichnet und gebe zu dass das nicht gerade als freundlicher Spitzname zu interpretieren war. Habe ich damit die Grenze zur Beleidigung weit genug überschritten so dass es mir untersagt werden sollte?
Gerade jetzt berichten die Medien auch über die Äußerung Günther Oettingers der gesagt haben soll:
Zitat:"Wenn die komische Petry meine Frau wäre, würde ich mich heute Nacht noch erschießen."
Die Grenze zwischen Meinung und Beleidigung ist oft eine sehr schwer zu fassende Grauzone die gerade deswegen allerdings auch gerne von Leuten ausgenutzt wird die gezielt beleidigen oder schockieren wollen ohne dafür aber rechtliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Strikte Verbote können hier aber auch schnell missbraucht werden und es gibt Beispiele (Scientology) wo dies auch von Institutionen mit dem Ziel gemacht wird Kritiker einfach nur fertigzumachen.

Bis April 2020 war mein Name hier Mike84.
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#5
16.02.2016
Simaris Offline
Draconequus
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Beiträge: 5.349
Registriert seit: 07. Feb 2013

RE: Eure Meinung zur Meinung
Ich denke dass es vll. stark aufs Umfeld und die Intention dahinter ankommt.

Zb. persönlich oder öffentlich im Gegensatz zu einer kleinen Runde (Freunde, Verwandte, party etc.)

Ist nicht einfach zu differenzieren, aber die Wortwahl ist da einfach das entscheidende.

Zitat:"Wenn die komische Petry meine Frau wäre, würde ich mich heute Nacht noch erschießen."
Wäre imo eine Beleidigung u.a. weil auch keinerlei Begründung angegeben wird.

Zitat:"Ich finde die Petry komisch, ich könnte mit so einer Frau nicht leben."
- Ich Perspektive
- Andere Satzstellung
- Weniger agressiv (neutral gehalten)
- Sagt aber dasselbe aus

Edit: Gerade mitbekommen dass der Satz von nem Politiker stammt.
Na dann ist es ja in Ordnung. [Bild: cl-brae-smug.png]

[Bild: ersatzsig.png]
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 16.02.2016 von Simaris.)
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#6
16.02.2016
Derpy De Hooves Offline
Wonderbolt
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Beiträge: 1.788
Registriert seit: 06. Apr 2014

RE: Eure Meinung zur Meinung
Wortwahl ist dabei entscheiden. Man muss da auch klar differenzieren und wie jetzt bei Julien zu sehen war, war das keine Meinung sondern pure Hetze und Co. Vielleicht hat er damit seine "Meinung" kundgetan oder wollte einfach mal Dampf ablassen dadurch, dennoch war die Wortwahl sehr schädlich für ihn.
Am Ende läuft darauf hinaus, dass die eigene Meinung sowieso Wenigen, gar keinem oder Vielen passt. Je nachdem, was man äußert und wie man es äußert.

Wenn man seine eigene Meinung hat, dann sollte man auch an der festhalten und nicht jedes mal ändern, wenn die nicht ganz konform mit allem anderen einher geht. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.
Meinungsfreiheit an sich finde ich sehr gut und ich bin bei meinen Meinungen auch festgesessen und stehe auch dazu.

(16.02.2016)Simaris schrieb:  "Wenn die komische Petry meine Frau wäre, würde ich mich heute Nacht noch erschießen."
(16.02.2016)Simaris schrieb:  Wäre imo eine Beleidigung u.a. weil auch keinerlei Begründung angegeben wird.
Zitat:"Ich finde die Petry komisch, ich könnte mit so einer Frau nicht leben."

- Ich Perspektive
- Andere Satzstellung
- Weniger agressiv (neutral gehalten)
- Sagt aber dasselbe aus

Hier finde ich eher, dass das Obere eine Verkündung zum Selbstmord wäre, wenn besagter Fall eintreten würde oder dem so wäre, während unten eine Meinung/Äußerung bezüglich der Auswahl der Lebenspartner gefasst wird.
Oben kann man schon zu einer Beleidigung hin tendieren, aufgrund des Todeswunsches wegen des Zusammenlebens. Ob beides nun die Selbe Aussage wäre, nunja kann man sich auch streiten Pinkie happy

[Bild: tumblr_static_tumblr_m2kzrwhvq41rrsbh3o1_500.gif]
Manche Orte sind weit weg, von Sorgen entfernt. Sie sind Schätze, die man zu lieben lernt.
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#7
16.02.2016
J-C Abwesend
Wonderbolt
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Beiträge: 1.461
Registriert seit: 05. Mär 2014

RE: Eure Meinung zur Meinung
In jedem Fall unterstützen solche als Meinung verpackte Beleidigung nicht einen sachlichen Diskurs sondern provozieren eher eine Schlammschlacht, was generell sehr kontraproduktiv ist.

Julien hat nebenbei vielleicht auch eine Meinung, die teils auf Unwissen beruht, drückt sie im bekannten Video jedoch so aus, dass er entsprechend Gesetze verletzt.

Also gehört zur Meinung auch der passende Ton. Optimal ist ein neutraler Tenor, der mit stoischer Ruhe sich mit der Meinung des anderen befasst, egal wie schrill er ist, egal wie schräg die Meinung ist.

Ich finde es schön, dass es eine Meinugspluralität gibt, ich finde es richtig, dass niemandem eine Meinung aufgezwungen wird.

Nur das Wie des Meinungsäußerns ist wohl so eine Wissenschaft für sich.
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#8
16.02.2016
HeavyMetalNeverDies! Offline
 
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Beiträge: 13.931
Registriert seit: 11. Mai 2012

RE: Eure Meinung zur Meinung
Meinungsfreiheit hat vor und Nachteile. Vorteil: Man kann sagen was man für richtig und wichtig hält und kritisieren was und wen man will. So weit so gut. Der Nachteil: "Bellende Hunde beißen nicht!". Da man damals in der DDR seine Meinung nicht rausposaunen durfte, hat sich ein breiter Widerstand gegen die dort herrschenden Umstände gebildet. Da man heutzutage alles rausschreien darf, was einem auf der Seele liegt folgen umso weniger Taten gegen herrschende Missstände. Zuerst kommt die Aufregung und meistens bald danach die Resignation. Das was in der DDR gesetzlich unerwünscht war, ist heute sittlich unerwünscht und bei Kritikern wird konsequent weggehört weil jeder Angst hat in irgend eine Ecke geschoben zu werden.

Die ach so rechten Montagsmahnwachen letztes (oder war es schon vorletztes) Jahr, welche medial dann in die rechte Ecke geschoben wurden, waren ein gutes Beispiel dafür.

Ich denke durch die Meinungsfreiheit ist es einerseits einfacher geworden unliebsame Themen zu verbreiten oder zu veröffentlichen. Andererseits ist es aber schwieriger geworden, Protestbewegungen zu entwickeln oder generell größere Veränderungen durchzusetzen, weil man eben einfach das was einen wütend macht raus schreit und so seinen Zorn abbaut, anstatt den Zorn zu mobilisieren um etwa Protestbewegungen beizutreten. Deshalb lassen sich die Leute auch alles gefallen. Sie schimpfen dann zwar wie die Bürstenbinder über Politik und Konzerne etc. setzen selbst aber keine anderen Gegenmaßnahmen mehr.

[Bild: 52538124312_f7739de9e0_o.jpg]
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#9
16.02.2016
Mc Timsy Offline
Wonderbolt
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Beiträge: 2.316
Registriert seit: 01. Jul 2013

RE: Eure Meinung zur Meinung
@HMND

Dir ist aber schon klar, dass das historische Gegenstück zur Meinungsfreiheit eben keine Gesellschaft war in der die Leute aktiver in die Politik eingegriffen hätten, sondern in der Zensurbehörden deine Schriften vor der Veröffentlichung gekürzt und die Polizei deine Wohnung gestürmt hat, wenn du eine sozialdemokratische Zeitung gekauft hattest. Die Möglichkeit seinen Unmut auszudrücken ist eben kein Ventil, welches die bestehenden Verhältnisse stabilisiert und andere Aktivitäten verhindert, sondern der Verlust der Kontrolle über die öffentliche Kommunikation ist essentiell, damit überhaupt irgendwelche Gegenbewegungen entstehen können. In soweit würde ich sagen, dass deine These an der historischen Faktenlage schlicht vorbei geht.

Den Wind können wir nicht bestimmen, aber die Segel richtig setzen.
- Lucius Annaeus Seneca -
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#10
16.02.2016
HeavyMetalNeverDies! Offline
 
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Beiträge: 13.931
Registriert seit: 11. Mai 2012

RE: Eure Meinung zur Meinung
(16.02.2016)Mc Timsy schrieb:  ...sondern der Verlust der Kontrolle über die öffentliche Kommunikation ist essentiell, damit überhaupt irgendwelche Gegenbewegungen entstehen können. In soweit würde ich sagen, dass deine These an der historischen Faktenlage schlicht vorbei geht.

Der Verlust der Kontrolle über die öffentliche Kommunikation ist lediglich ein Teil des Ganzen. Wenn die Leute darunter leiden unterdrückt zu werden, dann entwickeln sie schon im Vorfeld eine etwas andere Mentalität wie wenn sie ihr Leben lang innerhalb ihrer Komfortzone verbringen.

[Bild: 52538124312_f7739de9e0_o.jpg]
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#11
16.02.2016
Solaire Offline
Wonderbolt
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Registriert seit: 10. Mai 2013

RE: Eure Meinung zur Meinung
(16.02.2016)HeavyMetalNeverDies! schrieb:  Da man heutzutage alles rausschreien darf, was einem auf der Seele liegt folgen umso weniger Taten gegen herrschende Missstände.

Das halte ich für eine mehr als gewagte These. Die Kausalität, die du für die vermeintliche Gleichgültigkeit voraussetzt, ist, wenn überhaupt, auch an sozio-psychologische Faktoren gekoppelt und ich glaube mittels des Beispiels Weimar Republik lässt sich dein DDR-Beispiel ebenso gut widerlegen.

Folgendes: Nachdem der erste Weltkrieg durch die Entente gewonnen war, brach für die Deutschen wortwörtlich die Welt zusammen: Novemberrevolution nach dem Aufstand der Kieler Matrosen, der Kaiser musste abdanken und an die Stelle des monarchistischen Kaiserreichs trat eine junge Demokratie, die sich, nicht nur durch die Versailler Verträge, Unmengen an Problemen ausgesetzt sah:

Hyperinflation und wirtschaftlicher Niedergang durch Krieg und damit verbundene Gebietsverluste, sowie Reparationen, der Kriegsschuldparagraph gegen Deutschland, Extremisten, eine mehr als unvorteilhafte Verfassung und, und, und... Innenpolitisch war Deutschland ein Pulverfass, aber die freie Meinungsäußerung gab es ja trotzdem:

Weimarer Reichsverfassung, Art. 118: schrieb:Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern. An diesem Rechte darf ihn kein Arbeits- oder Anstellungsverhältnis hindern, und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Rechte Gebrauch macht.

Eine Zensur findet nicht statt, doch können für Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen werden. Auch sind zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gesetzliche Maßnahmen zulässig.

Wir finden hier also turbulente und chaotische gesellschaftliche Verhältnisse vor, in welchen sich große, radikalisierte Lager bildeten und gebildet hatten, Hardliner-Kommunisten, wie auch Chauvinisten, dazwischen Bürgerliche, Konservative, Monarchisten, etc.
Zusätzlich waren Staat und Regierung durch verschiedenste "Verfassungsschwächen" (bspw. Proportionales Wahlsystem / Notstandsverordnungen) gelähmt.
Von deinem Standpunkt aus betrachtet, hatten wir sozusagen eine meinungsmäßig noch pluralistischere Gesellschaft als die Heutige, insofern als dass es - einem modernen Mainstream gegenüber - viele größere Strömungen gab, sowie zu wenig staatliche Kontrolle zum Schutze der Verfassung, siehe bspw. schon das mehr als tendenziöse Parteiprogramm der NSDAP des Februars, 1920.

Nun frage ich dich wieso es hier denn trotzdem zu diversen Putschversuchen, politisch motivierten Attentaten, Straßenschlachten, unzähligen Demonstrationen und generell anarchischen Zuständen kam, wenn doch mit schwachem Staat und großer Meinungsvielfalt gewährleistet war, dass man seine auch unbeliebte Meinung kundtun konnte (und das wurde auch polemisch und agitierend getan), sodass auch großartige, omnipotente Spannungsventile hätten vorhanden sein müssen?

PS: Wenn ich so darüber nachdenke, deiner Logik nach, sollte Weimar immer noch existieren, Heavy. AJ hmm
(16.02.2016)HeavyMetalNeverDies! schrieb:  Deshalb lassen sich die Leute auch alles gefallen. Sie schimpfen dann zwar wie die Bürstenbinder über Politik und Konzerne etc. setzen selbst aber keine anderen Gegenmaßnahmen mehr.

Im Gegensatz zum späten 19. und 20. Jahrhundert befinden sich die Menschen ja auch in sozial deutlich sichereren / friedlicheren und stabileren Verhältnissen, sodass Massenradikalisierung schwierig sein dürfte.

The essence in obedience consists in the fact that a person comes to view himself as an instrument for carrying out another person's wishes and he therefore no longer regards himself as responsible for his actions.
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#12
17.02.2016
Mc Timsy Offline
Wonderbolt
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Beiträge: 2.316
Registriert seit: 01. Jul 2013

RE: Eure Meinung zur Meinung
HMND schrieb:Der Verlust der Kontrolle über die öffentliche Kommunikation ist lediglich ein Teil des Ganzen. Wenn die Leute darunter leiden unterdrückt zu werden, dann entwickeln sie schon im Vorfeld eine etwas andere Mentalität wie wenn sie ihr Leben lang innerhalb ihrer Komfortzone verbringen.

Allerdings ist die Existenz von Orten des Meinungsaustausches bedeutend, wenn dann irgendetwas passieren soll. Seien es (illegale) Zeitungen, Flugblätter, Kirchen, Gewerkschaften, Debattierclubs oder das Internet. Unzufriedenheit allein reicht nicht. Du musst mindestens in der Lage sein effektiv herauszufinden, dass du Verbündete hast. Ohne eine Möglichkeit dich mit Gleichgesinnten auszutauschen wirst du ruhig bleiben, oder dein Widerstand verpufft im Angesicht der Staatsmacht. Nehmen wir den arabischen Frühling als eines der jüngsten Beispiele. Die komplette Entwicklung jener Zeit hätte ohne Facebook und Twitter nicht stattfinden können. So lange es einer Regierung allerdings gelingt die freie Meinungsäußerung effektiv auf ein Minimum zu beschränken wird das System garantiert stabil bleiben.

Dagegen stellen wir heute ja eine ausreichende Mobilisierung von Meinungen fest, die noch nicht einmal ansatzsweise mehrheitsfähig sind, weil völlig an der Realität vorbei. In Deutschland beispielsweise reden sich die Reichsdeutschen seit Jahren immer tiefer in ihre Wahnvorstellung und wagen es manchmal sogar offen den Staat herauszufordern, weil sie, ich nenne das mal, "hypermobilisiert" sind. Sie sind derart eingepfercht in einer Wahrnehmungsblase, dass sie glauben die Revolution fände bereits statt und sie seien ein Teil davon, wenn sie in Wahrheit keinerlei Rolle bei irgendetwas spielen.

Den Wind können wir nicht bestimmen, aber die Segel richtig setzen.
- Lucius Annaeus Seneca -
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#13
17.02.2016
kommo1 Offline
Wonderbolt
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Registriert seit: 20. Sep 2011

RE: Eure Meinung zur Meinung
In letzter Zeit haben sich meine Ansichten gegenüber der freien Meinungsäußerung ein wenig geändert. Gerade im Bezug auf Äußerungen am Rednerpult. Müssen wir es wirklich zulassen müssen, dass Menschenmaßen mit faktischen Bullshit zugerieselt und manipuliert werden und der hier angepriesene Gegenwind im "Lügenpresse"-Geschrei untergeht?
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#14
17.02.2016
J-C Abwesend
Wonderbolt
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Registriert seit: 05. Mär 2014

RE: Eure Meinung zur Meinung
Das sind Meinungen, die durchaus kritisierbar und auch grenzwertig sind. Aber was hat das mit Manipulation zu tun? Ein gebildeter Mensch wird sich nicht so leicht von einem Pegidisten manipulieren lassen und freie Meinungsäußerung bedeutet auch, dass man ziemlichen Blödsinn als Meinung haben darf, solange man anderen nicht damit schadet.
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#15
17.02.2016
Malte279 Offline
Origamipony
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Registriert seit: 16. Dez 2014

RE: Eure Meinung zur Meinung
(17.02.2016)kommo1 schrieb:  In letzter Zeit haben sich meine Ansichten gegenüber der freien Meinungsäußerung ein wenig geändert. Gerade im Bezug auf Äußerungen am Rednerpult. Müssen wir es wirklich zulassen müssen, dass Menschenmaßen mit faktischen Bullshit zugerieselt und manipuliert werden und der hier angepriesene Gegenwind im "Lügenpresse"-Geschrei untergeht?
Der Einwand ist berechtigt und ich teile Deine Sorge, gerade weil so viele Menschen sich als so erschreckend manipulierbar erweisen (wogegen wieder nur eine wirklich gute Ausbildung hilft).
Aber welche Änderungen sind es genau die Du befürworten würdest? Wohin ist die Grenze zu verschieben zwischen Meinung und Volksverhetzung / Aufruf zur Straftat? Welche Instanz entscheidet wo diese Grenze liegt und wacht darüber dass sie nicht willkürlich ausgedehnt wird? Welchen Sonderstatus genießt die Satire und wer entscheidet ob es noch Satire oder schon Beleidigung etc. ist? Würden solche Regelungen nur für die Rednerpulte gelten oder wäre es nötig eine große Überwachungsinstanz für das Internet zu schaffen um dafür zu sorgen, dass auch in Foren wie diesem die Regeln eingehalten würden, oder sollte man da darauf setzen, dass andere es melden / denunzieren würden wenn jemand sich entsprechend äußert (womit dann allerdings schon wieder ein sehr großer Schritt in Richtung Überwachungsstaat getan wäre)?
Ich sehe das Problem und es macht mir große Sorgen, aber dies sind Fragen die beantwortet werden müssen falls der Status quo wirklich zu ändern ist.

Bis April 2020 war mein Name hier Mike84.
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Ich freue mich sehr über Feedback und konstruktive Kritik zu meinen Projekten und meiner Fanfiction.
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#16
17.02.2016
Chase Offline
Changeling
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RE: Eure Meinung zur Meinung
(17.02.2016)kommo1 schrieb:  In letzter Zeit haben sich meine Ansichten gegenüber der freien Meinungsäußerung ein wenig geändert. Gerade im Bezug auf Äußerungen am Rednerpult. Müssen wir es wirklich zulassen müssen, dass Menschenmaßen mit faktischen Bullshit zugerieselt und manipuliert werden und der hier angepriesene Gegenwind im "Lügenpresse"-Geschrei untergeht?

Wie schon geschrieben der Einwand ist berechtigt. Aber die Lösung dazu ist nicht die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wir können unangenehme (oder auch falsche Antworten) nicht einfach wegschweigen. Diese Praxis haben wir gerade erst abgelegt. Lieber sollte man aktiv gegen solche Leute vorgehen. Gegenreden halten, Auklären und Überzeugen.

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#17
17.02.2016
Infinity Offline
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Registriert seit: 21. Mär 2013

RE: Eure Meinung zur Meinung
(17.02.2016)J-C schrieb:  Ein gebildeter Mensch wird sich nicht so leicht von einem Pegidisten manipulieren lassen

Selbst die gebildetsten Menschen lassen sich manipulieren, wenn man den richtigen Nerv trifft ; )


(17.02.2016)J-C schrieb:  dass man ziemlichen Blödsinn als Meinung haben darf, solange man anderen nicht damit schadet.

Und wie definiert man, ob etwas einem Menschen schadet? Es gibt Leute, die sehen das Meiste neutral/objektiv und es gibt wiederum andere, die sich wegen jeder Kleinigkeit angegriffen/verletzt fühlen. Sowas kannst du bereits hier im Forum beobachten ; )

Ein Mensch ist klug. Aber viele Menschen sind eine Ansammlung dummer Tiere.

Mein Kunst-Thread
Mein alter Pony-Kunst-Thread

SFW Gallery: brillen-schlange.deviantart.com
NSFW Gallery: brillen-schlange.tumblr.com (unsicheres Material!)

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#18
17.02.2016
kommo1 Offline
Wonderbolt
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Registriert seit: 20. Sep 2011

RE: Eure Meinung zur Meinung
(17.02.2016)Chase schrieb:  Gegenreden halten, Auklären und Überzeugen.
Das ist ja genau mein Punkt. Es geht bei sowas ja nicht mehr um Wahr oder Falsch.
Selbstkritik an der eigenen Meinung ist aus der Mode gekommen. Menschen suchen sich ihre Fakten aus und alles andere ist Lügenpresse(oder welches Wort halt gerade IN ist).
Egal auf welcher Seite des politischen Spektrums. Es wird nicht diskutiert, sondern Denunziert und Ignoriert.

Wenn sich in einer solchen Gesellschaft dann Leute an Podium stellen und offen Lügen verbreiten, dann seh die Meinungsfreiheit eher in Gefahr und nicht als bewahrt.
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#19
17.02.2016
Mc Timsy Offline
Wonderbolt
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RE: Eure Meinung zur Meinung
@kommo1

Ich schätze allerdings, dass die Grenze von Meinungsfreiheit zur Volksverhetzung nicht das eigentliche Problem ist. Das Problem ist die zunehmende Polaisierung der Gesellschaft, die ich persönlich zu großen Teilen darauf zurückführen würde, dass sich die Menschen heute zunehmend nur noch in ihrer eigenen Wahrnehmung bewegen.
Früher hattest du deine Lieblingszeitung. Die entsprach dir im Grundtenor zwar politisch, aber konnte dir dann doch noch etwas zum Denken liefern. Den ÖRs kann man, entgegen der "Lügenpresse"-Rufe auch nicht gerade vorwerfen nur eine einzige Meinung zu zeigen. Aber heute kannst du dich über das Internet in Gruppen einfinden, die dir die komplette Ausfilterung von Informationen abnehmen und dir das Gefühl verpassen mit deiner Meinung immer richtig und innerhalb der Mehrheit zu existieren. Pegida ist dafür ja ein recht gutes Beispiel. Die Benutzung von russischen Propagandasendern zur Eigenaufklärung wäre in meinen Augen ein anderes Zeichen dafür. Die Menschen suchen naturgemäß nach Bestätigung und die Zersplitterung in Kleinstöffentlichkeiten führt dann wieder zu einer Radikalisierung des gesamten Diskurses, weil die Außenstimmen problemlos als Gegner, nicht als legitime Stimmen empfunden werden können.

Ich persönlich weis aber leider auch kein Mittel dagegen. Der Diskurs ist anstrengend und in den meisten Fällen völlig nutzlos, weil man sich dann doch lieber auf irrationale Ängste, Verschwörungstheorien oder den Glauben der eigenen Überlegenheit zurückzieht, oder die Faktenlage einfach versucht völlig auszublenden. (Schönes Beispiel, eine Frau die zu dem angeblichen Vergewaltigungsvorfall Lisa meinte, es sei ihr egal ob es wahr ist, sie wolle es trotzdem glauben. - Wie genau soll da ein Gespräch funktionieren?)

Bevor man weitere Grenzen der Meinungsfreiheit diskutiert sollte man, denke ich, lieber auf die Frage eingehen wie wir der Gesellschaft überhaupt wieder Streitkultur beibringen. Die Radikalen kann man zwar nicht abstellen, aber ich habe zunehmend das Gefühl, dass die Radikalen der Gesellschaft neuerdings vorgeben, wie die Gespräche zu führen sein sollen.

Den Wind können wir nicht bestimmen, aber die Segel richtig setzen.
- Lucius Annaeus Seneca -
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#20
17.02.2016
HeavyMetalNeverDies! Offline
 
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RE: Eure Meinung zur Meinung
(17.02.2016)J-C schrieb:  Das sind Meinungen, die durchaus kritisierbar und auch grenzwertig sind. Aber was hat das mit Manipulation zu tun? Ein gebildeter Mensch wird sich nicht so leicht von einem Pegidisten manipulieren lassen und freie Meinungsäußerung bedeutet auch, dass man ziemlichen Blödsinn als Meinung haben darf, solange man anderen nicht damit schadet.

Die Manipulation besteht darin den Leuten Schubladen zu verpassen wo sie dann andere Personen via Vorurteile einordnen können. Wenn dann wer hergeht und irgendwas sagt, was sich thematisch mit bekannten "ismen" überschneidet, dann ist er schneller Marxist, Stalinist, Kommunist, Narzist oder whatever, als ihn Lieb ist. Da gibt es keine Graustufen und keine eigenen Meinungen mehr. Bin ich Marxist? Keine Ahnung, ich habe nie gelesen was der Typ von sich gegeben hat... Muss ich aber auch nicht. Sobald so ein gebildetes Möbel mit einen Haufen Schubladen daherkommt, welches der Ansicht bin, dass ich gut in diese Schublade reinpasse, dann bin ich eben ein Vertreter von Karl Marx. Jenen Meinungen die ich zufällig mit dem Typen teile, sowie jene, von denen ich noch nie was gehört habe. Vielleicht hat Karl Marx ja einen Haufen Frauen vergewaltigt, dann bin ich automatisch Befürworter von Vergewaltigung.

Der "Pegidist" ist ja auch nur eine Schublade du Möbel! Denkst du bei der Pegida läuft lauter brauner Einheitsbrei herum. Dort gibt es soviele Meinungen, wie es dort Menschen gibt die sich halt wegen dem kleinsten gemeinsamen Nenner versammeln.

[Bild: 52538124312_f7739de9e0_o.jpg]
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