Wichtig ist, dass man unterscheidet zwischen Aberglauben/Ammenmärchen und Sagen.
Ammenmärchen stammen vor allem aus dem Mittelalter und haben hauptsächlich 2 Ursachen. Erstere wäre, dass es im Mittelalter eine starke Städtebildung gab. Wohnten die Menschen zuvor noch in lockeren Dörfern im Wald, bildeten sich im Laufe des Mittelalters immer mehr und größere Städte. Die menschen dort hatten immer weniger Bezug zur Natur, zum dunklen Wald, er wurde ihnen mit den Generationen immer fremder.
Durch das Wachsen der Städte wurde zudem immer mehr Holz benötigt. Die Bestände um die Städte wurden abgeholzt, der Wald rückte immer weiter in die Ferne von der "sicheren" Stadt.
Diese neue Ferne zum dunklen, tiefen Wald ließ ihn zur unbekannten, schauerhaften Welt verstilisieren. Hinter den Stadtmauern schien man sicher, auch vor Räubern und Überfällen fremder Völker. davor nicht.
Die allgemeine Angst vor wilden Tieren, unwirklichen Ungeheuern und dunklen Orten - und damit auch Schauermärchen, die darauf beruhen - wurzeln somit zum Großteil auf der im Mittelalter "antrainierten" Angst vor der Welt außerhalb der Stadt.
Ein anderer Aspekt war damals die Willkür der Kirche. Verbindungen zum Okkulten und Natürlichen wurden dem Volk als heidnisch angepriesen. Den Heiden heilige Tiere, wie Wölfe oder Raben, wurden von der Kirche als böse und finster propagandiert, woraus heute noch viele Assoziationen mit solchen Wesen beruhen. Die Ehrung der Frau sowie Kenntnisse in Kräuterkunde und Ähnlichem stammten ebenfalls aus der heidnischen Zeit. Gegen all solche Sachen ging die Kirche an, indem sie jeden Sonntag dem einfachen Volk vorbetete, heidnische Bräuche seien barbarisch und vom teufel persönlich. Sie stilisierte einfache Frauen zu Hexen und normale Bräuche zu Flüchen und dunklen Zauberkünsten. Die Kirche hatte ihre Sündenböcke.
Diese Verunglimpfung heidnischer Bräuche fand in der Inquisition ihren Höhepunkt, wo beinah alles ehemalig heidnische bis zum Höhepunkt als rein böse und unheilbringend abgetan wurde, ja gar Menschen gefoltert und verbrannt wurden, die nicht in den Sinn der Kirche passten.
Dies alles sind Erklärungen für Ammenmärchen wie der böse Wolf, unheimliche Raben, Freitag der 13., Hexen, Gruselwälder, seelenlose Rotschöpfe, tötliche Stürme, Gespenster und und und...
In moderner Zeit spielt da oft das Internet mit. Erfundene Geschichtlein, geschrieben aus Spaß, lassen sich über die ganze Welt rasend schnell verbreiten. Man erkennt keinen Unterschied mehr zwischen Wahrheit und Fiktion, der Ursprung ist nicht auffindbar. Photoshop und der "Stille-Post"-Effekt helfen oftmals ganz gut dabei, die erfundene Geschichte zur urbanen Legende zu stilisieren. Es wird im Grunde eine erfundene Geschichte auf eine viel zu große und (
sry ) hauptsächlich dumme Masse losgelassen. Das selbe Phänomen findet sich im Mittelalter. Nur dass hierbei nicht die Absicht besteht, das Volk zu kontrollieren und feindliche Sachen zum Feind zu stilisieren, sondern Unterhaltung.
Sowas führt letztendlich zu urbanen Legenden wie Candyman, Slenderman, Jeff the Killer, Bloody Mary etc.
Legenden dagegen haben immer einen wahren Kern. Wenn nicht, sind es keine, auch wenn sie von manchen so genannt werden. Bei ihnen ist es oft so, dass ein bestimmtes Ereignis durch Mund-zu-Mund-Propaganda - hier wieder der "Stille-Post"-Effekt - mit der Zeit ausgeschmückt und divers verfälscht werden. Religiöse und kulturelle Aspekte werden integriert, all dies soweit, bis es schwer wird, einen Bezug zwischen Legende und Wirklichkeit herzustellen.
Ich nenne man die Nibelungen-Sage als Beispiel. Kommt einem allgemein ziemlich unwirklich vor. Mittlerweile findet man jedoch immer wieder Indizien auf historische Begebenheiten. Demnach heißt es, dass die Geschichte rund um unseren Nationalhelden - Arminius - Grundstoff für die Nibelungen-saga gegeben haben soll. Arminius also Siegfried besiegte das Heer der Römer, das sich aufgrund der engen Wege in einer Kilometerlangen Menschenschlange durch die Moore Germaniens schob. Als der Fürst Angriff war es Nacht, also erleuchteten die Sümpfe die Fackeln der Legionäre.
"Ein riesiger Feuerwurm, der sich durch die Wälder schlängelt" Na, wenn das man nicht an den Drachen Fafnir erinnert. Uns so gibt es unzählige weitere Verbindungen zu wahren Begebenheiten, auch wenn mehrere zusammengewürfelt sind. So sollen die Geschichten rund um Siegfried den Begebenheiten rund um Arminius entsprechen, die Geschichten von den Nibelungen nach dem Tod des Drachentöters stammen aber aus späterer Zeit, als Attila der Hunne - in der Saga König Etzel - durch das land streifte.
Und auch in anderen sagen haben sich mittlerweile wahre Kerne herausgebildet. Die Artussage zum Beispiel soll auf den Begebenheiten eines römischen Centurios wurzeln, der zur Zeit des römischen Abmarschs aus Britannien das Volk gegen die Sachsen verteidigte. Camelot (hab' erst Canterlot geschrieben
)soll demnach ein großes römisches Kastell in Süd-Britannien gewesen sein. Die Tafelrunde aber soll aus späterer Zeit, so gegen Ende des Mittelalters, stammen. Und die Sache mit dem heiligen Gral hat irgendwann dazwischen die Kirche hinzugedichtet.
Sternenschweif schrieb:Gehören die schwarze Katze und Freitag der 13., die beide Pech bedeuten, nicht zu diesem Thema?
Ebenso ursprünglich heidnische - und ganz und gar nicht schlimme oder unheilbringende, im Gegenteil - Sachen, die von der Kirche im Mittelalter zu schlechten Sachen propagandiert wurden.
Ich persönlich glaube nicht an Sagen zu 100 %. Jedoch muss man sich mit ihnen auseinandersetzen, um einen wahren Kern zu finden. Alles weitere muss man für sich selbst entscheiden, ob man es glauben darf oder nicht. In einem Glauben, in dem sich vieles auf Sagen stützt, ist es wichtig, sich intensiv mit sowas zu befassen.