(05.05.2016)J-C schrieb: [ -> ]Das ist doch von der Geschichte her nicht ganz unähnlich, wie als man damals in den USA die Südstaaten zu verlieren drohte und deswegen man eben dafür sorgen wollte, dass Nord und Süd wieder zueinander findet.
Das ist nund allerdings das perfekte Beispiel dafür, dass ein Entgegenkommen in solchen Situationen nicht gerade erfolgsversprechend ist.
Vor dem Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges waren die Rechte der Sklavenhalter bereits extrem weit ausgedehnt worden. Durch das Dred Scott Urteil war etabliert worden, dass Sklaven selbst dann nicht ihre Freiheit erlangten, wenn ihre Herrschaften sich mit ihnen Jahrelang in Gebieten aufhielten wo die Sklaverei verboten war und der Herr anschließend starb. Mit den "Fugitive Slave Laws" wurde es Südstaatlern nicht nur erlaubt in den Nordstaaten Jagd auf entlaufene Sklaven zu machen (wobei sie auch gerne mal den erstbesten Schwarzen mitnahmen und unter der Prämisse dass die Beweislast das er kein entlaufener Sklave sei bei ihm oder ihr liege), sondern Nordstaatler waren gesetztlich dazu verpflichtet diese Bemühungen zu unterstützen und machten sich strafbar wenn sie sie behinderten. Alle die behaupten, dass es im US Bürgerkrieg um die "Rechte der Einzelstaaten" gegangen sei blenden aus, dass die Nordstaaten den Südstaatlern schon so weit entgegengekommen waren, dass dadurch de Facto das Verbot der Sklaverei in den Nordstaaten ausgehölt wurde.
Abraham Lincoln selbst hat immer wieder betont, dass er nichts gegen die Sklaverei in den Gebieten unternehmen werde wo sie schon existierte und auch dass die Regierung die Unabhängigkeit der sich von der Union lossagenden Bundesstaaten nicht anerkennen aber auch nicht angreifen werde solange sie nicht selbst angegriffen wurden (was die Südstaatler dann im April 1861 bei Fort Sumter taten, nachdem sie bereits zuvor das Versorgungsschiff Star of the West beschossen hatten ohne dass die Regierung darauf reagiert hatte.
Also wie viel mehr Entgegenkommen hättest Du da von den Nordstaaten erwartet?
Und,
back to topic, wie viel Entgegenkommen erwartest Du hier von der EU?
Nenn mir doch mal ein paar Beispiele wo Länder wie Polen und Ungarn der EU (von der sie ne Menge Geld bekommen) während der Flüchtlingskrise entgegengekommen sind? Die Haltung dieser Länder trifft in der Tat ziemlich genau die der Südstaaten in Deinem Beispiel, aber sollte das wirklich Anlass für die EU sein Hilfe in Krisenzeiten noch mehr zur freiwilligen Option statt als Verpflichtung im Austausch für die vielen Vorteile zu erklären, die die EU Mitgliedsschaft für diese Länder bringt?
Mir ist die EU, zumindest die Idee von einem etwas geeinteren Europa wichtig. Dieses Europa sollte aber auch keine reine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch gewissen Idealen verpflichtet sein die zu dem wichtigsten gehören was in der langen und blutigen Geschichte Europas entwickelt worden ist. Diese Ideale verpflichten nach meiner Ansicht auch zur Mithilfe im Rahmen der eigenen Möglichkeiten wenn es zu so einer Krise wie der aktuellen kommt.
Fremdenfeindlichkeit, ausgelöst nicht zuletzt dadurch dass es in den betreffenden Ländern einen so geringen Ausländeranteil gibt, dass die Aufnahme einiger hilfsbedürftiger Menschen nicht gleich zum Zusammenbruch der nationalen und kulturellen Identität führen würde, ist nicht so schützenswert, dass man diesen Ländern ihre völlige Ablehnung immer wieder nur unwidersprochen durchwinken sollte.
Welche Vorteile hat denn die EU eigentlich noch von solchen Ländern, die sie anscheinend so vollkommen einseitig betrachten, und de facto ausnutzen?
Wäre es das absolute Scheitern für die EU wenn solche Staaten die zu der Einsicht kommen, dass ihre nationalen Egoismen und ihre Xenophobie ein höheres Gut sind als die Vorteile der EU Mitgliedsschaft, wieder austreten?
Deine Forderung von 250 Euro "Strafe" pro Flüchtling den man nicht aufnimmt halte ich für geradezu lächerlich und zynisch gering. Für die meisten ist das ja weniger als eine Monatsmiete.
(05.05.2016)J-C schrieb: [ -> ]Mir ist es kurz einfach zu suspekt, einerseits eine entweder-oder-Situation schaffen zu wollen, die gar nicht so existieren muss und andererseits einfach mal die Intigrität der EU, welche schon ziemlich bröckelt, noch weiter zu beschädigen.
Eine Situation schaffen zu wollen, die gar nicht so existieren muss? Was meinst Du? Die Flüchtlinge sollen gefälligst woanders hingehen und dann muss die Situation hier ja gar nicht existieren oder uns in irgendeiner Weise interessieren? Das war der Kurs der hier lange gefahren wurde. Ich sehe darin (und in den gegenwärtigen "Deals" mit gewissen Ländern, die vor allem durch die mangelnde Bereitschaft einer Reihe von EU Staaten ihren Teil beizutragen ausgelöst wurde) die Integrität der EU sehr viel mehr beschädigt als durch die Forderung dass EU Mitgliedschaft auch gewisse Verpflichtungen schaffen soll. Die Aufgabe solcher Verpflichtungen und die Gleichgültigkeit gegenüber Menschen für die Du einen Ablasshandel für 250 Euro anregst halte ich für sehr viel schädlicher was Integrität angeht.
(05.05.2016)J-C schrieb: [ -> ]Im übrigen, man müsste dann auch Staaten wie Dänemark... oder auch Schweden sanktionieren.
Letztere können nunmal keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, auch wenn sie es wollen.
Und da ist eben der Unterschied. Diese Staaten (besonders Schweden) haben bereits eine erhebliche Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen. Gemessen am Verhältnis zur eigenen Einwohnerzahl war die Aufnahmebereitschaft Schwedens sogar um ein vielfaches höher als die von Deutschland, wenn ich mich nicht irre. Dort sind aber tatsächlich die Grenzen ausgereizt und es gibt tatsächliche Probleme die gemindert werden könnten wenn andere Länder mehr dazu bereit wären ihren Teil der Last zu tragen. Schweden hat den Willen und die Bereitschaft zu helfen gezeigt.
Wo gibt es auch nur Ansätze eines vergleichbaren Willens einen Teil beizutragen in Polen oder Ungarn?