Mike84 schrieb:Vom Chinesischen (dass durch den zusätzlichen Wirtschaftlichen Einfluss wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen, zugleich aber durch die komplexität der chinesischen Schrift schwierigkeiten haben wird sich durchzusetzen) hat vermutlich das Spanische gute Aussichten an Bedeutung zu gewinnen, da Spanisch v.a. in den USA immer verbreiteter wird.
Eine Ablösung des Englischen als Hauptverkehrssprache halte ich in absehbarer Zukunft allerdings für äußerst unwahrscheinlich, da ja auch das Internet in den vergangenen Jahren mit dazu beigetragen hat die Bedeutung der Englischen Sprache zu zementieren.
Wobei ich da an stelle der Anglophonen jetzt auch nicht zu entspannt wäre. Bedeutsame Sprachen verschwinden selbstverständlich nicht von heute auf morgen, aber der Brexit kann, wenn auch nicht verantworten, so doch seinen Beitrag dazu leisten, dass unsere Enkelkinder sich vielleicht weniger Gedanken über ihre Englischkenntnisse machen müssen als wir.
Momentan wirkt es auf uns natürlich befremdlich, dass die Englische Sprache irgendwie durch den EU Austritt Großbritanniens an Status verlieren könnte. Andererseits verliert die Sprache damit eigentlich ihre Anerkennung als eine der Amtssprachen der Union. Ironischerweise haben andere Länder wie Irland dafür aus innenpolitischen Gründen lokale Sprachen, wie das gälische oder maltesische gemeldet, auch wenn Englisch dort vorherrschend ist. Wegen der Bedeutung des Englischen im internationalen Handel wirkt es auf uns gerade abstrus, dass die EU die englische Sprache nicht mehr berücksichtigen könnte, formal bewegen wir uns da aber absehbar in einige Grauzonen hinein. Beispielsweise auch wenn es um den Nachweis der Mehrsprachigkeit geht. Das dürfen aber die Leute von der Kommission aushandeln.
Wesentlich wichtiger für die Langzeitentwicklung dürfte aber der mit dem Brexit verbundene Bedeutungsverlust der Englischen Sprache in der Politik sein. Großbritannien war neben Irland ja auch immer die Verbindung Europas zur amerikanischen Handelsmacht, die zwar schrumpfte, aber noch immer von dominanter Bedeutung war. Wenn jetzt die Briten aber schlimmstenfalls ohne Deal die EU verlassen, müssen die Geschäfte dann in anderen europäischen Städten abgehandelt werden. Das ist kein harter Bruch, aber Amerika verliert vorraussichtlich weiter an Handelsmacht, China baut seinen Einfluss aus und wenn wir Europäer unseren Kontinent weiter entwickeln wollen. Gesetzt der Fall das Projekt überlebt den aktuellen koordinierten Angriff von nationalistischen Fanatikern, Faschisten, auswärtigen Mächten und selbsterklärten "besorgten" Bürgern, dann kann dadurch sehr wohl ein Prozess in Gang gesetzt werden, der über lange Zeit die Englische Sprache zu einer von vielen macht.
Nagut, für Englisch spricht natürlich weiterhin, dass die Chinesen zwar im Kommen sind, allerdings über eine der ungeeignetsten Sprachen für den internationalen Handel verfügen. Eine Zeichenflut die unglaublich viel Zeit erfordert. Eine Lautvielfalt, die viele Sprachen nicht nachahmen können. Da hat das Englische gute Chancen sich noch länger zu behaupten. Aber seine Vorherrschaft war an die Macht der angelsächsischen Welt gebunden und wenn die im kommenden Jahrhundert nurnoch eine unter gleichen sind? Vielleicht hängt dann alles mehr davon ab welcher großen Macht man stärker zugetan ist.
Zitat:Deutschland gewinnt hier für den Moment... klar. Aber auf Kosten Anderer und zu Lasten des Ganzen. Die einzelnen Nationen sind zu ungleich um eine investierte Union zu sein. Die lezten 20 Jahre haben das schmerzhaft klar gemacht und die Zukunft wird damit gnadenlos weitermachen Nation für Nation.
Naja, gesetzt der Fall deine Vorhersage träfe so zu, dann sind aber auch in erster Linie die Europäer die leidtragenden daraus. Gemeinsam kann man uns auf der Weltbühne nicht ignorieren. Geteilt darf sich jeder aussuchen gegenüber welcher Großmacht man sich am liebsten auf den Boden wirft und um Almosen bettelt. Wobei nicht ganz, die Osteuropäer dürfen sich das nach russischem Weltverständnis nicht aussuchen, aber da sind wir noch nicht.
Kurz gesagt, ein Europa der souveränen Nationalstaaten ist eine völlige Illusion für die Zukunft. Worum es hier geht ist die Frage ob wir in einer EU gemeinsam etwas zu sagen haben, oder ob die einzelnen Staaten gar nichts mehr zu melden haben sollen. Ich könnte mich ja auch zurücklehnen und mich an der seltsamen Situation erheitern, dass die Europäer sich derzeit so leicht auseinander dividieren lassen. Vor etwa 10 Jahren waren wir ein Anwärter auf den Status einer neuen Supermacht, nach wiederholten Versuchen Krisen nicht als Gemeinschaft zu lösen, sondern unter den Teppich zu kehren machen sich heute ganz offen Faschisten breit und Staaten wie Russland oder Fanatiker wie Bannon können auf eine ganze Bandbreite an skrupellosen Gestalten zurückgreifen, die bereitwillig die Zukunft unseres Kontinents mit Lügen und Stimmungsmache zerschlagen wollen. Manche aus Machtgier, manche aus ideologischer Verblendung, andere wohl mittlerweile auch einfach aus Liebe an der Zerstörung.
Wobei ich auch mittlerweile einfach das Problem sehe, dass ich die aktuelle politische Elite für die Bedürfnisse unserer Zeit für ungeeignet halte. Das soll jetzt kein allgemeines Merkel oder Politikerbashing werden, aber ich denke, in Europa hatten wir spätestens mit der Finanzkrise einen problematischen Punkt erreicht. Europa ist über Jahrzehnte immer mehr zusammen gewachsen, die Folgen davon sieht man am Heranwachsen von Generationen, die sich selbstverständlich in der EU bewegen und keinen Grund sehen, warum Nationalstaaten überhaupt als europäische Ordnung in Erwägung gezogen werden sollten. Nicht, dass ich diese Gruppe als Mehrheit definieren will, aber sie existieren. Auch können wir gut am Brexit beobachten wie eng die Verpflichtungen mittlerweile sind. Anstatt die EU zu spalten hat die Entscheidung der Briten hauptsächlich Chaos im britischen Regierungssystem selbst hervorgerufen. Die Probleme dort kommen nicht einmal von der EU, sondern erwachsen aus der Tatsache, dass keiner dort eine Ahnung hat, wie man Jahrzehnte der Integration rückgängig machen soll. Zusätzlich dazu, dass die Brexit-Kampagne sich massiver Lügen bedienen musste und gegen die dortigen Finanzierungsregeln verstoßen hat, haben wir dort ein Land vor uns, welches immer mehr mit dem Fakt konfrontiert wird, dass es nicht mehr das alte Empire ist und die eigene Position nicht mehr die ist, die man erwartet hatte.
Und das bei einer Nation, die sich so stark gegen die Europäisierung gestemmt hat wie kein anderes Land des Kontinents.
Aber zurück zu meinem Problem mit der aktuellen politischen Elite. Ich denke, wir haben in Europa einen Punkt erreicht, der ein sehr unangenehmes Spannungsverhältnis offen legt. Europa kann nicht in seinem Status Quo verbleiben, weil letztlich die Souveränität aller Beteiligten leidet. Der Weg nach vorne kann nur in einer gewissen Form schmerzhaft sein. Entweder Europa löst sich auf, was bei den beteiligten Ländern noch schwieriger sein dürfte als für die vergleichsweise isolierten Briten. Oder aber, die Entwicklung muss weiter in Richtung der Vereinigung gehen. Dieser Schritt wäre ebenfalls schmerzhaft, weil er die bisherigen Souveränitätsvorstellungen in Frage stellen würde. Keiner der Wege ist einfach, aber nur der Weg nach vorne kann unserem Kontinent noch eine Form von Souveränität im kommenden Jahrhundert ermöglichen. Aber die Politik vagt nicht, diesen Schritt bewusst zu gehen. Vielleicht auch aus gutem Grund. Es war niemals notwendig und am Ende des Tages kann man in der aktuellen politischen Elite auch kaum jemanden finden, der diesen Weg wirklich gehen wollen würde. Merkel hält Europa zusammen so gut sie es vermag, aber einen Weg einzuschlagen, der die deutsche Souveränität in einer geteilten europäischen auflösen würde, dafür ist die Frau die Falsche.
Vielleicht ist es auch bereits einfach zu spät, wobei, wenn du, Terran_wrath, behauptest die EWG hätte doch gut funktioniert und man hätte es dabei belassen sollen, dann muss ich dich enttäuschen. Der Schritt in Richtung Europäische Union war kein Schritt aus Jux und Tollerei, sondern war der gleichen Dynamik geschuldet die wir heute erleben. Das bestehende System war unzureichend. Die Rückkehr zum vorherigen System bot keinen günstigen Ausblick, die weitere Einigung war die logische Konsequenz. War schon anstrengend genug, aber im Gegensatz zu heute konnte man weiter an den unvereinbaren Vorstellungen von Souveränitäten in Europa und den Nationalstaaten festhalten. Nur greift jeder weitere Schritt zur Demokratisierung und zur Behebung der Probleme jetzt offen die Illusion von staatlicher Souveränität an, die bisherige Politikergenerationen so mühevoll gepflegt haben.
Ich habe durchaus meine Befürchtungen, dass die Probleme sich soweit angehäuft haben, dass die Europäer ihre Chance vertan haben. Ich bin ja schließlich nicht blind und Taub. Es war mal einfach mit einem Verweis auf die Faktenlage die weitere Vereinigung Europas zu vertreten. Heutzutage wird man damit ignoriert. Es ist schwer geworden gegen einfache Lügen mit komplizierten Wahrheiten anzutreten. Es wird nahezu unmöglich zu erklären, warum der anstrengende Weg einer weiteren Vereinigung, gepaart mit der Aufgabe des nationalen Selbstbildes gegangen werden soll, wenn auf der anderen Seite jemand nette Bilder von einem völlig unerreichbaren Zustand im patriotischen Paradies zeichnet. Trotzdem, soweit es etwas wert ist, wer glaubt mit der Abwickelung der EU irgendetwas zu gewinnen irrt. Man kann sich dann einreden, man hätte irgendeine metaphysische Form von Souveränität und Entscheidungsfreiheit erlangt, während die eigene Nation zum reinen Befehlsempfänger verkommt.
Sollte der No-Deal-Brexit Wirklichkeit werden, so wäre Großbritannien die einzige Nation auf der Welt ohne Freihandelsabkommen. Industrie und Agrarproduktion würden massive Einbußen erleben, schon alleine weil die britische Infrastruktur nicht mehr in der Lage ist ohne die Anbindung an Europa zu existieren. Das ist keine Position für eine souveräne Nation, die werden international zu Bittstellern und Bettlern werden. Hat seinen Grund warum Trump den Brexit so gut findet. Eine ganze Nation, die machen muss, was auch immer er im Handel fordert.