(22.05.2020)Leon schrieb: [ -> ]Wenn du die sinnvollste Antwort ausschließt, gibt es darauf keine einfache Antwort.
Tempolimits machen immer nur an einzelnen Stellen Sinn, die überdurchschnittlich gefährlich sind oder zeitlich begrenzt an Stellen mit dichtem Verkeht oder bei schlechtem Wetter. Nein, die Autobahn als Ganzes ist keine "Gefahrenstelle".
Eigentlich schon: Wenn alle Länder mit Autobahnen, außer nun Pakistan und Nordkorea, das tun, dann können wir das auch. Warum müssten sich andere Länder an unserem Modell anpassen, wenn deren Modell drüben ebenfalls funktioniert? Nur weil Deutschland statistisch gut da steht? Können andere Länder auch sein, selbst Indien. Aber das hat, wie du auch schon gesagt hast, wenig mit der Geschwindigkeit zu tun. Eher mit Abstand, unterschätzten Bedingungen bei Regen/Schnee, technischem Zustand des Fahrzeugs (kein Wunder, warum Indien hohe Zahlen hat), offensiver/defensiver Fahrweise, oder ob unser Auto allheilig ist, oder man es akzeptiert, wenn man mal eine Beule gekriegt hat. Und wenn es wenig mit der Geschwindigkeit zu tun hat, dann ist es einfacher, wenn Deutschland einfach mitzieht und wir unsere Gewohnheit anpassen, anstatt zu sagen, dass unser Modell das vernünftigere sei. Wenn wir pro Jahr in Deutschland damit auch nur 50 Menschenleben damit retten, und 1 Millionen Tonnen weniger Kohlendioxid ausstoßen, ist viel getan. Das hat dann auch Symbolcharakter.
Interessant wird es nämlich dann, wenn jedes Land und jeder Mensch mit denselben Bedingungen an den Start gehen kann, sprich, technischer Zustand, offensive/defensive Fahrweise, etc. Und dann schaut man sich: Was machen die mit Tempolimit, und was machen die ohne.
Zitat:Die meisten Verkehrstoten gibt es auch auf der Landstraßen, wo man gerade mal 100 fahren darf.
Aber nicht nur wegen höheren Geschwindigkeiten, sondern auch weil Verkehr entgegenkommen kann, was ein leicht erhöhtes Risiko mit sich bringt, und gerne mal Fehler beim Überholen gemacht werden.
Zitat:Die ganze Diskussion um Sicherheit wirkt nur wie ein vorgeschobenes Argument.
Genau das hat man zu Sicherheitsgurten auch gesagt. Mittlerweile sind über 40 Jahre seit Vorschreibung vergangen, und du legst bestimmt auch deinen Sicherheitsgurt an, weil du es einfach gewohnt bist. Gewohnheiten sind ein unpassendes Argument à la "war ja schon immer so". Nicht, dass du es jetzt gesagt hast, aber mich hat deine "Diskussion um Sicherheit" daran erinnert. Weil die Einführung des Sicherheitsgurtes, obwohl die Zahlen von damals sich auch nicht großartig unterschieden haben, hätte man genauso gut als "vorgeschobenes Argument" interpretieren können.
Zitat:Es macht keinen Sinn, die Geschwindigkeit überall dauerhaft zu reduzieren, weil man an einzelnen Orten nicht 200 fahren kann. Das ist, wie wenn man sagt, dass man, weil ab und zu mal stockender Verkehr ist, man auch generell 80 fahren könnte. Auf die 1-2 Stunden extra kommt es ja nicht an.
Du gehst jetzt natürlich davon aus, dass die Geschwindigkeiten immer bei 160 liegen, oder immer bei 80 liegen. Natürlich ist eine Autobahn sehr viel dynamischer als nur das. Dennoch ist irgendwann mal eine Art Grenze erreicht, in dem es keinen Sinn macht, arg viel schneller zu fahren. Klar, wenn die Autobahn leer ist macht es Sinn 200 zu fahren, aber es fahren ja nicht permanent nur 10 Fahrzeuge herum, und es ist nicht dauernd Nacht, sondern es können auch mal zehntausende in wenigen Stunden werden. Baustellen machen ihr übriges und in NRW ist jede zweite Brücke bald kaputt, wo man nur noch 60-80 fahren darf, obwohl alles leer scheint. Wetter, etc., all das.
Dann ist es nunmal so: Du gibst wieder Gas mit 180, und nach 20 Sekunden musst du wieder abbremsen, weil auf der 3. Spur jemand mit Richtgeschwindigkeit unterwegs ist. Das passiert ein paar Male, und dann ist deine Durchschnittsgeschwindigkeit im Keller, u.U. so sehr, dass ein gewöhnlicher LKW, der mit 80km/h herumtuckert (und dementsprechend seine Durchschnittsgeschwindigkeit viel näher an der Realgeschwindigkeit dran ist, weil er kaum ausgebremst wird) ne Viertelstunde später nach einer größeren Distanz ankommt. Habe ich alles schon erlebt.
Und nun? Wenn selbst die wenigen 5-10%, die mit 180 unterwegs sind so eingebremst werden durch soviele Eventualitäten, dass die gerade mal durchschnittlich 115-125 laut Bordcomputer haben, muss Deutschland sich weiterhin so sträuben, unlimitiert unterwegs zu sein?
Zitat:1. In der Stadt kann man durchaus 50 fahren. 2. Hier gehts um Autobahnen, da gibts keine Fußgänger, Fahrräder, parkende Autos etc.
Nein, aber bei zweispuren Autobahnen LKWs auf der rechten Spur, alte Omas mit Tempo 100 auf der linken Spur, Harry mit seinem Wohnwagen, der 110 fährt, ich rase mit dem Gelenkzug auch 110, und soviele der 90-95%, die weit weniger als 160 auf der Autobahn unterwegs sind. Siehe aber weiter unten.
Zitat:2. zu hohe Unterschiede bei den Geschwindigkeiten. Ist halt kacke wenn einer mit 100 nach links zieht, um nen LKW zu überholen, wenn die anderen links mit 180 fahren. Wäre der 100-Fahrer bereit zu beschleunigen (oder zu warten bis ne größere Lücke da ist) und der 180 Fahrer bereit abzubremsen um ausreichenden Abstand vom 180 Fahrer zu halten, dann wäre schon viel gewonnen, ohne ein Tempolimit zu haben.
Wie oben schon gesagt, man hat nunmal 90-95% aller auf der Autobahn fahrenden, die weit weniger unterwegs sind, als mit 180, was dann auch ihr gutes Recht ist. Kann ja der Harry von vorhin nicht dauernd mit 80-90 hinter dem LKW gurken, und dann wäre die rechte Spur ja nur von Leuten, die ja nicht über 120 fahren dürfen, weil man für die wenigen 5-10% die linke Spur unbedingt freihalten muss. 90% müssten wegen 10% "Platz" machen. Das hat für mich den Charakter, wie wenn schnell unterwegs zu sein als wichtiger erachtet wird, als eine homogene Geschwindigkeit aller Fahrzeuge auf allen Spuren, wie ich es gerne hätte. Und mit dieser Homogenität weise ich auf Kanada hin, auf der i.d.R. 110km/h für alle Fahrzeuge erlaubt ist, auch für LKWs, und Spurwechsel i.d.R. nur beim Abbiegen getätigt werden. Klar, mir wären dann selbstverständlich 130km/h auch lieber, und meinetwegen kann man alles ab >10 Tonnen mit 100 abgrenzen. Aber das System in Kanada find ich z.B. sehr nice. Und wenn man sich den
europäischen Vergleich anschaut, dann kann ich mir denken, dass auch außerhalb Europas, wie eben in Kanada, gute Werte aufweisen kann.
Hier wird beispielsweise geschrieben, dass zwischen 2001 und 2006 auf den Highways in Ontario (haben aller die Nummer 4xx) in diesen 6 Jahren 815 fatale Unfälle passiert sind. Müsste man mal ausrechnen, wieviele das pro 100000 Fahrzeuge oder eine Milliarde Fahrzeugkilometer das sind, weil alles, was man findet, sind durchschnittliche Zahlen für alle Straßenkategorien (Kanada vs. Deutschland 7,8 zu 5,9 pro 100000 Fahrzeuge).
Zitat:Ein Fan des automatisierten Fahrens bin ich nicht so richtig weil ich da rechtliche Probleme sehe und es dem Fahren auch den Spaßfaktor nimmt, aber andererseits kann das auch viele Unfallprobleme lösen. Und das würde wohl ein Tempolimit in nicht unerheblichem Maße noch überflüssiger machen.
Hmm, nun frage ich mich, warum Forscher, die an automatisieren Fahrzeugen forschen, ein Tempolimit für sinnvoll erachten. Du scheinst es besser zu wissen. Denk dran: Meinungen müssen fundiert sein, und zwar so sehr, dass du auch einen Forscher herausfordern kannst, der sich mit der Materie auseinandergesetzt hat.