CharlesErnestBarron schrieb:Falsifikationismus ist auch heute noch ein Eckpfeiler der empirischen Wissenschaften. Die Philosophie hat sich lediglich von der sehr starren Haltung Poppers zur Deduktion als einzig gültiges Beweisverfahren distanziert.
Als "Beweisverfahren" würde ich die Deduktion bei Popper nicht bezeichnen. Es geht bei ihm ja gerade ums Falsifizieren - die Genese oder Bestätigung einer Theorie sind zweitrangig. Die Philosophie hat sich vo Poppers Falsifikationismus verabschiedet, aber zwischen Wissenschaftlern und Philosophen... "Wissenschaftsphilosophie ist für Wissenschaftler so sinnvoll wie Ornitologie für Vögel."
Wegen der Atheismus-Sache:
Dir ist hoffentlich klar, dass ich meiner eigenen Position damit nicht die Schuld für die Katastrophen des 20 Jahrhunderts geben will, oder? Es geht in der These darum, dass auch atheistische Anschauungen verheerende Folgen haben können. Kommunismus wurde nie umgesetzt, hat als Ideologie aber großen Einfluss gehabt. Weder Marx noch die Humanisten sind Schuld, das aus einer humanistischen Idee Stalinismus wurde. Es wäre aber übertrieben zu sagen, dass Atheismus nur in "guten", "harmlosen" Weltanschauungen auftritt.
CharlesErnestBarron schrieb:Ich bin ein sehr praktisch denkender Mensch. Ideen wie der "Goldene Käfig" halte ich für an den Haaren herbeigezogen, daher sollten diese nach meinem Dafürhalten bestenfalls in der Belletristik Verwertung finden.
Dasselbe haben wohl Menschen des 16. Jahrhunderts über Demokratie gesagt - auch wenn es damals schon Athen gegeben hatte. Konkrete Konzepte nehmen fast immer Anfang mit ein paar Intelektuellen, welche die Grundlagen bereiten, und Menschen sind oft durchaus bereit, Freiheit für Sicherheit und Wohlstand zu opfern. So einfach ist das ganze nicht abzutun, aber ich kann deinen Mangel an Interesse nachvollziehen.
CharlesErnestBarron schrieb:Mir geht es einfach nur um das vernünftige Miteinander im Hier und Jetzt in Geiste der Geshwisterlichkeit. Dafür braucht man keine komplizierten philosophischen Konzepte. Man muss einfach nur Mensch sein und dabei auch an Andere denken. Das ist alles. Wenn das jeder macht brauchen wir nichts sonst.
Ja, ich sage mir auch oft, dass es eigentlich einfach sein müsste. Eigentlich lernen wir alles, was wir zum simplen Miteinanderauskommen brauchen, im Kindergarten. Aber wenn man sich die Welt ansieht, ist wohl kaum von der Hand zu weisen, dass dies leider nicht so einfach ist.
Um ganz ehrlich zu sein - egal wie viel ich über Konflikttheorie lerne, ich kann nie ganz nachvollziehen, warum wir Kriege führen. Auf meiner persönlichen inneren Ebene ergibt es keinen Sinn und ich bin oft beunruhigt über die Frage, was aus mir geworden wäre, wenn ich zB in der NS-Zeit gelebt hätte. Mit dem, was ich bin, kann ich nichts derartiges vereinbaren. Dennoch ist es wohl eine Tatsache, dass 50% meines sozialen Umfeldes die Kriege befürwortet hätten oder zum Morden bereit gewesen wären. Wer wäre ich geworden? Ich habe mich an meiner alten Schule aus eigenen Gründen gegen Mobbing gestellt, aber das ist gar nichts. Wäre es möglich, dass aus mir ein Verbrecher geworden wäre, oder aus meinen besten Freunden?
Ich bin kein Misanthrop - im Gegenteil -, aber ich habe nur nahezu keine Hoffnung, dass Humanismus jemals wirklich gelebt werden wird.