15.01.2014
(02.01.2014)MikuHatsune schrieb: [ -> ]Das DX-7 ist ja eine abgespeckte Version des DX-100 und ist optisch dem DX-100 ähnlich.Mit Nichten und Tanten. Wo hast du das gelesen?
Von den FM-Synths der ersten (Großserien-)Generation ist der DX100 nämlich der kleinste.
Anläßlich meiner letzten Gearerweiterung (dazu komm ich noch) mal Pulses Yamaha FM 101.
Den Anfang machte 1983 der DX7. Ein Synth, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte. Ganz neue Klangerzeugung (FM-Synthese mit 6 Sinus-Operatoren, die in 32 Algorithmen verschaltbar sind), volldigital (verstimmt sich nicht, und wenn du ihn in die Tiefkühltruhe schmeißt, außerdem war digital damals geil) mit ganz neuen klanglichen Möglichkeiten, 16 Stimmen, mehr als fast jeder Analogsynthesizer (außer Exoten mit Oktavteiler wie die beiden vollpolyphonen Polymoogs und Yamahas konzertorgelartiger 1974er Monstersynth GX-1 mit 18 Doppelstimmen), 32 interne Speicherplätze, noch einmal 32 auf Cartridge (andere Synths hatten statt dessen Klinkenbuchsen für Kassettenrecorder), MIDI – und das Ganze hat Yamaha für knapp unter $2000 auf den Markt geschmissen. Der DX7 wurde zum Bestseller, den erst die Korg M1 getoppt hat, und killte im Alleingang praktisch den kompletten Analogsynthesizermarkt.
Um den DX7 herum entstanden Synths in vier Richtungen:
- Expander à la DX7: Da war zunächst mal der TX7, ein DX7 als Pultgerät. Fürs Rack entwarf Yamaha eine ganz dicke Keule: den TX816, was ein Rackrahmen mit acht TF1-Einschüben war, von denen jeder jeweils ein kompletter DX7 war, nur ohne Bedienelemente. Ein Gerät, das acht Sounds gleichzeitig erzeugen konnte und insgesamt 128 Stimmen hatte. Den gab's auch als TX216 mit zwei Einschüben und sechs Blindplatten sowie als TX416 mit vier Einschüben und vier Blindplatten, jeweils um weitere TF1 erweiterbar. Der TX816 ist bei FM-Suchties ziemlich beliebt, und obwohl er teuer ist, ist er heute noch billiger als acht DX7 und nimmt weniger Platz weg.
- Noch größer: DX5 und DX1. Technisch sind sie identisch: 76 Tasten mit polyphonem Aftertouch und einem oberaffengeilen Spielgefühl, 32 Stimmen, 2fach multitimbral (also quasi zwei DX7 in einem Gehäuse; wenn man nur einen Sound spielt, hat man trotzdem alle 32 Stimmen), und ich meine, die haben auch bessere Wandler – ich hatte schon zweimal einen DX1 unter den Händen. Der Unterschied zwischen den beiden ist eigentlich nur das beim DX1 noch edlere Gehäuse, das teilweise (Boden, Seitenteile) aus Rosenholz ist. Vom DX1 sollen nur 140 gebaut worden sein. Es wird manchmal vermutet, daß das Whitney-Houston-E-Piano ein DX5 oder DX1 war und kein DX7.
- Kleiner: Natürlich wollte Yamaha auch das Gebiet unter dem (schon mit einem Mörder-Preis/Leistungs-Verhältnis versehenen) DX7 erobern. Also hat man noch 1983 mit dem auf 4 Operatoren und 20 Speicherplätzen reduzierten DX9 einen abgespeckten Einstiegs-FM-Synth rausgebracht für die, die scharf auf den DX7 waren, ihn sich aber nicht leisten konnten.
- Noch kleiner: die Budgetsynths. 1985 hat Yamaha, um auch den Sparbrötchen FM-Synths verkaufen zu können, unterm DX9 noch kleinere Synths geparkt mit noch dünnerer 4OP-Klangerzeugung und nur acht Stimmen. Der DX100 ist der Kleinste mit Minitasten (trotzdem mit Velocity und Aftertouch!), kann aber dank Gurtriemen, Wheels am oberen Rand, Batteriefach und geringem Gewicht als Umhängekeyboard gespielt werden (siehe auch Korg 707). Der DX27 ist ein DX100 mit Fullsize-Tasten und ohne Umhängetauglichkeit. Der DX27S ist ein DX27 mit Lautsprechern. Der DX21 wiederum kann zwei Sounds splitten oder layern, hat also ein Feature, das auch der DX9 und sogar der DX7 nicht hat. Der FB-01 ist zu guter Letzt der DX100/DX27 als 9½"-Expander. Der ganzen Generation ist gemeinsam, daß sie ziemlich dünn und gritty klingen und nur ein brauchbares Preset haben, den Baßsound auf dem ersten Speicherplatz.
Der Expander zu der Generation ist der TX802. So einen hab ich mir Ende letzten Jahres als Kommissionsgerät beim Freundlichen geschnappt (yay, ich hab jetzt 'n amtlichen FM-Synth, und der kann DX7-Sounds). Bei dem hat Yamaha mal Hirnschmalz bewiesen und sich angeguckt, wie FM-Synths so eingesetzt werden. Der TX802 hat an sich die DX7II-Klangerzeugung mit 6 Operatoren und 16 Stimmen – ist aber achtfach multitimbral, und jedem Part können in Zweierschritten zwei bis 16 Stimmen zugewiesen werden, je nachdem, wieviele Multimode-Parts man eigentlich braucht. Ist doch so, daß man selten in einem Song mehr als einen FM-Sound mehrstimmig spielt. Beim riesigen TX816 hat man für jeden einzelnen Sound, auch wenn er nur monophon war wie ein Baß oder eine Melodielinie oder ein Arpeggio oder was auch immer, einen ganzen 16stimmigen Synthesizer aufgefahren. Beim TX802 knapst du einen Part mit zwei Stimmen für den Baß ab, noch einen für eine Melodielinie, und die restlichen zwölf Stimmen reichen locker noch fürs Whitney-Houston-Piano. Trotzdem hat der TX802 übrigens acht Einzelausgänge, so daß man ihn einsetzen kann wie einen TX816, der pro Einschub nicht mehr als zwei Stimmen braucht.
1988 hat Yamaha dann die Budgetklasse aufgeräumt und durch neue Geräte ersetzt, die sich sehen lassen konnten: das Keyboard DX11 und den Expander TX81Z. Beide sind wieder nur achtstimmig und haben wieder nur 4 Operatoren, aber zum ersten Mal können die Operatoren zusätzlich zum üblichen Sinus noch acht andere Wellenformen, so daß diese Synths auf einmal Sounds konnten, die mit einem DX7 nicht möglich waren. Man könnte sagen, diese kleinen Synths repräsentieren die dritte FM-Generation. Trotzdem hat man nach wie vor auf ein Filter verzichtet. Daraus hat man den YS200 (und B200 mit Lautsprechern)
Noch 1988 fing Yamaha an mit Workstations, um Korg, die sich gerade an M1 blöd verkauften, nicht das Feld kampflos zu überlassen, und zwar zunächst mit DX11-Technik. Zunächst kam der fast quadratisch-praktische Pultexpander TQ5, der zu seinen acht Stimmen einen achtfachen Multimode und einen achtspurigen Sequencer hat. 1989 folgte die V50, eine von Yamahas ersten zwei Workstations mit Tastatur, die 16 Stimmen und zusätzlich zum Sequencer eine Drummachine mitbrachte.
Die andere Tastenworkstation sollte die Korg M1 von oben angreifen und den DX7II beerben. Ohne Samples ging es inzwischen nicht mehr, also hat Yamaha der großen blauen SY77 zum einen eine 16stimmige samplebasierte Klangerzeugung verpaßt und zum anderen in Form eines zweiten 16stimmigen Klanggenerators die vierte FM-Generation, mächtiger und besser klingend als je zuvor (auch weil Yamaha mal wieder neue Wandler verbaut hat): Die 6 Operatoren können jetzt in 45 statt nur 32 Algorithmen verschaltet werden, statt einer Feedbackschleife gibt es drei, die Operatoren können 16 Wellenformen (der DX7II konnte ja immer noch nur Sinus, und DX11 & Co. hatten nur 4 Operatoren), und zum ersten Mal wurde einem FM-Klanggenerator ein Filter nachgeschaltet, so daß erstmals (und sechs Jahre vor dem ersten virtuell-analogen Synthesizer) Analogsynth-Klänge direkt nachbaubar waren. Im Gegensatz zu den resonanzlosen Filtern, die Korg in seinen ersten Workstations hatte, hat das Ding sogar Resonanz bis in die Selbstoszillation. Noch mehr Vorsprünge gegenüber der M1: 16facher Multimode (die M1 hat nur achtfach), vier separate Effektwege und ein Floppylaufwerk. Ach ja, und ein zweites Modwheel. Blöderweise müssen DX7-Sounds für die SY77 erst gewandelt werden. Die SY77 gibt's auch als Expander (TG77).
Einer der beiden Anwärter auf den ultimativen FM-Synth ist die SY99 von 1991, mit der Yamaha versuchte, die Überworkstation Kurzweil K2000 zu überholen. Die hat nicht einfach nur eineinviertel Oktaven mehr als die SY77, sondern auch noch einen ganzen Sack voll Zusatzfeatures. Das fängt an mit mehr Notenspeicher im Sequencer und mehr Sample-ROM. Die SY99 kann auch neue Samples laden in bis zu 8 MB RAM (hier punktet die K2000, die konnte nämlich damals schon bis zu 64 MB Sample-RAM aufnehmen, mehr als jeder damalige Akai- oder E-mu-Sampler, und ab 1992 stand ein Aufrüstkit zum vollwertigen Sampler zur Verfügung). Aber es geht hier ja um FM, und da hat Yamaha noch einmal in die Trickkiste gegriffen: Samplesounds und FM-Sounds können ziemlich wild miteinander verschaltet werden, sprich, man kann jetzt Sampleplayer als Operatoren in die FM reinschalten. Gut, das kostet zwar Stimmen, aber was soll's.
Der andere Anwärter kam erst 1998 in Form eines 1HE-Rackmoduls und ist entsprechend am Gerät noch unbedienbarer, als es der TX802 je war: der FS1R. Als Yamaha seine letzten FM-Synths zu Grabe getragen hat, meldete sich die FM noch einmal mit Macht zurück – in Form des immer noch einzigen Hardware-FM-Synth mit 8 Operatoren. Als wenn das noch nicht genug wäre, kommt Formant Shaping hinzu, gegenüber dem die DX7-Sounds, die er laden kann (er hat sämtliche DX7-Werkssounds schon als Presets drin), komplett verblassen, und das bringt 8 weitere spezielle Operatoren mit. Ganz am Ende der Synthesekette steht das Multimodefilter aus dem virtuell-analogen AN1x. Stichwort virtuell-analog: Das Problem des FS1R war, daß sich 1998 kein Schwein für FM interessierte, weil die Synthfreaks Analogsounds und Knöpfe zum Schrauben wollten. So ging er letztlich in den Ausverkauf für $400 und verschwand 2000 vom Markt.
Trotz allem hat Yamaha FM und den DX7 selbst im 21. Jahrhundert erst nicht aufgegeben: 2001 kam Yamahas letzter FM-Synth, die DX200, der FM-Bruder der virtuell-analogen Groovebox AN200, der einzige Yamaha-FM-Synth mit Knöpfen zum Soundschrauben und die einzige FM-Groovebox. Die DX200 geht streckenweise wieder back to the roots, hat wieder 6 Operatoren mit 8 Wellenformen und 32 Algorithmen und ist in beiden Richtungen mit dem DX7 kompatibel, man könnte sie also prima nehmen, um darauf Sounds für einen DX7 zu schrauben, sofern man sich auf das beschränkt, was der DX7 kann. Das heißt, leider kommt man mit den Knobs nicht an alle Parameter ran, aber dafür gibt's eine ziemlich gute Editorsoftware. Im Gegensatz zu Korgs Gepflogenheiten in den 80ern (DS-8, 707) tut die DX200 beim Schrauben nicht so, als funktioniere sie wie ein Analogsynth. Man schraubt also wirklich an FM-Parametern. Okay, das AN1x-Filter gibt's trotzdem noch.
Nach der DX100 kamen nur noch zwei Erweiterungskarten für samplebasierte Maschinen (PLG100-DX, PLG150-DX), aber mit Einstellung der Motif ES zugunsten der nicht mehr erweiterbaren Motif XS war auch das vorbei.
Ja, wie gesagt, mein jüngster Zuwachs ist ein TX802 in verdammt gutem Zustand. Ist schon ins Rack geschraubt und muß nur noch verkabelt werden (Yamaha, y u no have detachable power cord). Paßt bestimmt gut zum D-550 und zu den 80er-Jahre-Drummachine-Samples in meinem Fundus. Ich hätte ja Bock, mal ein Stück zu machen nur mit TX802 und Drums (Oberheim DMX/DX, Linn oder so). Blöderweise kann ich ihn nur über einen Monokanal fahren, solange ich noch kein zweites 01V hab, aber FM ist ja an sich sowieso mono, solange man keine internen Stereoeffekte draufpackt. Darf nur nicht vergessen, die Velocity zu seinem MIDI In von maximal 127 auf 100 runterzurechnen (Yamaha, y u no support 127 velocity levels?).