Wenn es doch nur so einfach wäre, mehr/neue Leute einzustellen
Leider ist der Tf-Beruf für potentielle Bewerber inzwischen dermaßen unattraktiv, daß sich einfach kaum Bewerber finden - die Arbeit wird davon allerdings nicht weniger, sondern - wie ich am aktuellen Schichtenplan meiner S-Bahn ja selber sehe - immer mehr
Gern würde ich euch die Schichten einfach mal verlinken, aber das kann mir leider arbeitsrechtlich massiv gegens Bein laufen - die DB-Securitate spitzelt und schnüffelt auch ständig im Internet mit.
Jedenfalls findet die DB schon nicht mal ansatzweise ausreichend Bewerber, die Privatbahnen erst recht nicht - bitte, ihr könnt euch direkt bei der vlexx in Mainz bewerben, die hatten mangels Lokführern jetzt am Wochenende an die 50% Zugausfälle. Nicht wegen Streik, wohlgemerkt - sie haben einfach nicht genug Tf!
Heißt: wir sind offenbar Mangelware, wir haben sozusagen einen erheblichen "Marktwert". Und warum sollen wir den nicht auch wenigstens mal ansatzweise auch für uns einfordern, sondern stattdessen ständig nur den Depp machen?
"Kündigt doch, wenn es euch nicht paßt!"
- Okay! Machen wir! Auf einen Schlag noch paar tausend Tf weniger bei der DB und womöglich auch bei den Privaten!
Und wer fährt dann die Züge? Äääähm... ups... keiner da? Sowas Dummes aber auch, jetzt fallen die Züge nicht mehr nur paar Stunden oder Tage wegen Streik aus, sondern mal mindestens monatelang wegen Personalmangel! Sollen wir das wirklich machen? Ist das wirklich eine gute Idee, ein guter Tausch...?
Soviel nur mal zum Pflichtbewußtsein - "pflichtvergessen" wären willkürliches Verschlafen (mit Absicht), willkürliches Zu-spät-oder-gar-nicht-zum-Dienst-kommen unsererseits oder gleich das Desertieren aus dem Beruf (auch wenn ich letzteres, was alleine ich in den letzten 10 Jahren bei mindestens 50 Leuten, die bei uns anfingen, Ausbildung machten und direkt wieder aufhörten, gesehen habe, durchaus verstehen kann).
Und nochwas: in unserem Beruf fährt ständig der Staatsanwalt mit, und mit ihm der gesamte deutsche Justizapparat. Jetzt sagen wir mal, ich hatte binnen einer Woche schon vier 10-Stunden-Nachtschichtklopper hinter mir, konnte tagsüber wegen Baulärm und allgemeinem Radau im Hause eh nicht gut schlafen, habe mich aber - "pflichtvergessen", wie ich nun mal bin - trotzdem nicht dienstunfähig gemeldet. Dann hatte ich EINEN Tag Ruhe dazwischen, gestern eine 11-h-Spätschicht und nach "erfrischend" kurzem Übergang von 12 Stunden heute wieder das nächste 10-h-Brett. Wär alles nicht das erste Mal
"Ach, der jammert wieder nur rum, mimimimi"? Moment, ich will auf was anderes raus. Heute bei der Schicht mache ich, weil ich einfach FERTIG bin, einen kleinen Fehler - nichts Großes, aber, wie der Teufel so spielt, holt sich irgendein Fahrgast dadurch einen Kratzer und findet seine Klamotte, die er im Nachhinein natürlich als 5000-Euro-Designer-Anzug von Armaniboss deklarieren wird, zerrissen. Wißt ihr, was dann losgeht? Ich werde meines Lebens nicht mehr froh, ich - ja, ICH ganz persönlich! - werde mit Schadenersatzansprüchen überzogen, weil ICH ja den auslösenden Fehler gemacht habe. Krankengeld, Verdienstausfall, Ersatz der angeblichen Designer-Fracke... wenn ich Glück habe, übernimmt meine Diensthaftpflichtversicherung den Schaden. Auf Rückendeckung des Arbeitgebers brauche ich nicht mal ansatzweise hoffen - die kommt nämlich nicht, im Gegenteil werde ich mir dafür, daß ich, um Zugausfälle zu verhindern, ja völlig pflichtvergessen auf die Arbeit gekommen bin, noch anhören dürfen, daß ich dem Image des "Unternehmens" ja schweren Schaden zugefüg habe, blablabla, und fange mit einiger Wahrscheinlichkeit noch eine Abmahnung. Toll, oder? - Geht aber noch weiter: wenn der Staatsanwalt Wind davon bekommt (und das wird er), kann ich nicht so schnell gucken, wie der vor mir steht: "Aha, Sie haben also trotz Übermüdung Aufgaben im Bahnbetrieb wahrgenommen und dabei einen Schaden bzw. einen Bahnbetriebsunfall verursacht? Dann wollen wir doch gleich mal eine nette Anklage verfassen: gefährlicher Eingriff in den Eisenbahnverkehr! Der Strafbefehl geht Ihnen dann zu!"
ALLES schon dagewesen (zum Glück nicht bei mir persönlich), das ist alles nicht neu
Wundert sich jetzt wirklich noch mehr, warum wir uns gegen ûberfordernder werdende Arbeitsbedingungen wehren MÜSSEN, und das notfalls auch mit Streiks?
Die irrsinnigen Gehälter der deutschen Managerkaste begründen diese sich immer gegenseitig damit: "Ja, die haben ja aber auch so viel Verantwortung!
" - Bullshit!
Da werden ganze Unternehmen ruiniert, Banken müssen mit Steuermilliarden "gerettet" werden, tausende Arbeitsplätze lösen sich in leere Luft auf, die volkswirtschaftlichen Schäden sind unermeßlich - aber wenn wirklich mal einer dieser Verbrecher in Nadelstreifen vor Gericht muß, bekommt er maximal eine Bewährungsstrafe, und das nennt sich dann also "Verantwortung übernehmen"? Sagen wir mal, ich verursache meinem Betrieb 1 Mio Euro Schaden, weil ich einen (leeren) 430er mit 10 km/h gegen den Prellbock oder einen anderen 430er setze und dann die Rahmen der Endwagen verzogen sind (Totalschaden des Endwagens) - ICH muß die Verantwortung dafür übernehmen!
Wenn ich Pech habe, wandere ich ab dafür in den Bau - "gefährlicher Eingriff in den Bahnbetrieb"!
Aber wir sollen uns unsere Verantwortung, die wir durch den Beruf des Eisenbahners haben, im Gegensatz zu Schlipsens nicht angemessen vergüten lassen dürfen...?
Und wie gesagt: "Ja, dann geh doch!!1elf!" - Okay, aber dann ist GAR KEINER mehr da, der die Züge fährt. Wunderbar, spart jede Menge Energie und Fahrzeugkilometer, nur kommen die Fahrgäste oder die Güter der Kunden davon auch nicht ans Ziel
- ist das wirklich das, was gewünscht wird...?
Denkt mal darüber nach, ob die Forderungen der GDL, die sich ja nur an den (verkehrs)politischen Rahmenbedingungen des Eisenbahnverkehrs in Deutschland orientieren, in diesem Lichte betrachtet noch immer so maßlos, pflichtvergessen und verantwortunglos sind. Und - ohne jemandes Beruf dadurch abwerten zu wollen! - 45 oder mehr Wochenstunden in einem Beruf bedeuten mit allen Konsequenzen nicht notwendigerweise dasselbe wie in einem anderen Beruf.