(19.02.2015)MaSc schrieb: [ -> ]Teilnahme bei Streiks müsste einfach so geahndet werden können wie jedes andere unerlaubte Fernbleiben von der Arbeit auch: Abmahnung und anschließend fristlose Kündigung. Das hochqualifizierte GDL-Personal würde wahrscheinlich eh innerhalb kürzester Zeit gleichwertige, deutlich besser bezahlte Arbeit finden.
Den zweiten Satz übergehe ich einfach mal - ich lese es ja in jedem Wort, der Satz ruft geradezu: "Kein Sarkasmus liegt mir völlig fern".
Zum ersten Satz: würde die DB so vorgehen (mal völlig unabhängig davon, ob das rechtlich zulässig ist oder nicht), würden sie sich nur selber ins Knie schießen, aber ganz massiv. Warum? Sagen wir mal, auch nur 50% aller Tf des DB-Konzerns beteiligen sich. Die willst du also rausschmeißen - gut! Akzeptiert! Und jetzt? Wer fährt dann, nachdem du sie rausgeworfen hast, die Züge? Die verbliebenen 50%? Die können auch nicht rund um die Uhr 24/7 arbeiten, dürfen sie auch schon gesetzlich gar nicht, weil sie sich sonst bei Unfällen direkt schuldig machen würden des gefährlichen Eingriffs in den Eisenbahnverkehr (dienstunfähig (wegen Übermüdung) Züge geführt). Folge: es gibt auf mindestens Monate, eher auf Jahre massive Zugausfälle, da könnte man direkt froh sein, wenn noch jeder 2. Zug fährt - weil die DB einfach nicht mehr genug Lokführer hätte (hat sie ja jetzt schon nicht). Wo sind die alle hin? Ups, zu dumm - die wurden ja wegen Streikteilnahme rausgeschmissen. Keiner mehr da zum Züge fahren... ups, sowas aber auch
In manchen EVU der DB wie etwa meiner hiesigen S-Bahn wärst du sogar direkt mal straff Richtung 90% aller Lokführer los; es gibt ja schon sehr lange nicht mehr "die DB", sondern "die DB" ist nur noch eine Holding, unter deren Dach sich -zig rechtlich eigenständige Betriebe tummeln... inklusive Tochter- und Enkeltochter-Unternehmen, und jeder Lokführer arbeitet nur / darf nur für den Betrieb arbeiten, bei dem er eingestellt ist. Heißt: wirf uns böse S-Bahn-Lokführer raus, dann hast du gar keinen mehr zum S-Bahnen-Fahren hier. Lokführer von woanders aus dem DB-Bereich abziehen: geht nicht, weil die rechtlich zu anderen Unternehmen gehören (abgesehen davon, daß sie dort selber gebraucht werden).
Anders gesagt: diese Einstellung ist reichlich kurz gedacht, das muß ich einfach mal so sagen.
Der Arbeitsmarkt für Lokführer in Deutschland ist leer. Ratzekahl leer. Lokführer vergraulen kann sich schlicht kein EVU leisten - es gibt zuwenige. Sehr aktuelles Beispiel ist hier in Mainz die vlexx GmbH: hat zum Dezember 2014 ein beachtliches Netz an Diesel-Strecken übernommen, schaffte es aber (weil man nur Billig-Tarifverträge mit ver.di abschloß und das Angebot für die Nahverkehrsleistungen, auf dessen Grundlage man den Zuschlag des Landes Rheinland-Pfalz erhielt, auch nur auf diesen Billig-Tarifvertrag ausgerechnet war) nicht, genug Lokführer zu rekrutieren. Folge: seit Wochen gibt es Zugausfälle und Not-/Ersatzfahrpläne ohne Ende. Man dachte bei vlexx, sich Leute vom Arbeitsamt zur Schnellausbildung schicken lassen würde es tun - klappte aber nicht: zum einen müssen sowohl Bahnarzt als auch psychologischer Dienst erstmal die Tauglichkeit bescheinigen, zum anderen müssen die Leute die Ausbildung bestehen. Und wer keine guten Konditionen anbietet, bekommt schlicht keine Lokführer mehr, so einfach siehts mal aus - ich weiß es auch, weil ich selber mal paar Jahre als Lehrlokführer unterwegs war. Viele Bewerber machen sich ein völlig falsches Bild oder werden, ohne selber wirklich Lust auf den Job zu haben, vom Arbeitsamt gezwungen und merken bei der Ausbildung: was, zu DEN Bedingungen soll ich arbeiten?! Ich denk doch nicht dran... und schon lassen sie sich bei den Prüfungen absichtlich durchfallen. Das kann ihnen natürlich keiner nachweisen, damit bleiben sie aber arbeitsamt-sanktionsfrei. - Ich will damit nur sagen: wirfst du die vorhandenen Lokführer raus, hast du sehr schnell ein riesiges Problem, weil du eben schlicht niemanden findest, der dir dann deine Züge fährt.
Jetzt könnte natürlich das Argument kommen: ja, ihr Lokführer bei der DB, warum kündigt ihr dann dort nicht und geht zu anderen EVU, die besser bezahlen? - Ganz einfach: es gibt keine, wenigstens in aller Regel nicht in Wohnortnähe. Dazu kommt im Nahverkehr: der Nahverkehr (S-Bahn, RB, RE) wird ja bekanntlich von den Ländern ausgeschrieben, die Verträge laufen mindestens 10 Jahre. Für die Dauer der Vertragslaufzeit fährt also das beauftragte EVU den Nahverkehr auf den jeweiligen Strecken - und kein anderes EVU. Es bringt einem also wenig, wegen Arbeitsbedingungen zu sagen, bei meinem aktuellen EVU kündige ich - im Nahverkehr gibt es auf diesen Strecken schlicht kein anderes EVU als das aktuelle.
In gewisser Weise kommen Lokführer und EVU nicht voneinander los... Problem nur, immer und immer wieder: die EVU wollen uns möglichst zum Billigtarif, haben aber keine Alternativen zu uns - und wir nicht zu ihnen.
Und nun kommt hinzu, daß jetzt endlich das gesamte "Team Zugfahrt", wie es in den 90ern mal DB-intern hieß, durch die GDL entsprechend tarifiert werden soll, sofern es in der GDL ist - das wiederum ist dem DB-Konzern aber ein riesiger Dorn im Auge, und wir haben die aktuelle (unerfreuliche) Situation.
(19.02.2015)Leon schrieb: [ -> ]Bis vor 2 Jahren hatte die Bahn für Langstrecken sogar ein gesetzlich zugesichertes Monopol.
Sachlich schlicht falsch, diese Aussage.
Spätestens seit der Bahnreform 1994 steht es jedem in Deutschland zugelassenen EVU frei, Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) anzubieten. Der SPFV wird von EVU in aller Regel eigenwirtschaftlich betrieben, heißt: die Einnahmen aus Fahrscheinverkauf, Sitzplatzreservierungen, Getränkeverkauf im Zug usw. müssen komplett die Kosten decken, es gibt keine Zuschüsse (von seltenen Ausnahmen mal abgesehen). Anders im Nahverkehr: hier werden die Fahrten vom Auftraggeber (Bundesland, welches die Zuständigkeit an Aufgabenträger wie z.B. einen Verkehrsverbund weiterdelegieren kann) beim Verkehrsbetrieb in Auftrag gegeben - und auch bezahlt; Stichwort
Regionalisierungsmittel. - Gibt es im SPFV wie gesagt nicht, hier heißt es: selber, aus eigener Kraft, die Kosten decken. Es gab und gibt auch durchaus privaten SPFV... nur leider ist es dermaßen schwer, damit wirklich Geld zu verdienen, noch dazu, wenn man nur eine einzige Strecke fährt, daß viele Interessenten über (teilweise sehr großfressige) Ankündigungen nicht hinauskamen oder alsbald wieder zumachten.
Beispiele für privaten SPFV, alles vor 2013 gestartet:
am besten mal hier die Übersicht angucken.
Zitat:Erst seit Anfang 2013 war es überhaupt erst möglich, dass Fernbusunternehmen eine Alternative zur Bahn anbieten.
Was die Fernbusse angeht, ist diese Aussage natürlich richtig.
Zitat:Für Strecken unter 50 km oder bei unter 1 Stunde Fahrtzeit, wenn es eine Alternative per Bahn gibt, sind Fernbusse weiterhin nicht erlaubt.
Ebenfalls richtig. Liegt aber nicht an irgendeinem Monopolschutz (erst recht kein gesetzlicher Monopolschutz), sondern daran, daß beschriebene Strecken als Nahverkehr gelten. Dieser wird aber, wie ich oben schon ausgeführt hatte, mit Mitteln des Bundes und der Länder subventioniert (kostendeckender Nahverkehr ist heutzutage schlicht nicht mehr möglich, er ist aber unverzichtbar: Daseinsfürsorge, es ist also hoheitliche Aufgabe, dafür zu sorgen, daß er existiert) in Form der Auftragsbestellungen - erstmal egal, ob Bus oder Bahn; da fallen Überland-Linienbusse genauso drunter wie S-Bahnen oder Regionalbahnen. Damit dieser öffentlich geförderte Nahverkehr aber vor Konkurrenz geschützt wird, gibt es das Beförderungsverbot für eigenwirtschaftliche öffentliche Konkurrenzverkehre auf der Straße, also für den Mißbrauch von Fernbussen als RE-Ersatz. - Inwiefern das natürlich immer eingehalten, kontrolliert und Verstöße sanktioniert werden, ist eine andere Frage.
Zitat:Wirklich "privat" ist die Bahn AG aber nicht mal, da der Staat immer noch zu 100% der Anteilseigner ist.
Aber auch nur wegen der Börsen- und Finanzkrise von 2007.
Bitte auch mal
hier gucken, da stehts in Kurzform beschrieben.
Ziel der sogenannten "Bahnreform" war, bis zu 49,9% der Aktien an der Börse an Privatinvestoren (egal, ob natürliche Personen oder institutionelle Anleger, auch völlig egal, welcher Coleur) zu verhökern, eben zu "privatisieren". Diesem Ziel wurde seit spätestens 1997, als Mehdorn rankam, gnadenlos alles, aber auch wirklich alles untergeordnet - mit den Folgen haben wir bis heute zu kämpfen, aber das würde für den Moment wohl entschieden zu weit führen (das gesamte Bahn-Thema ab 1990 ist dermaßen komplex, das reicht locker für ein ganzes Semester; will man dann noch den Betriebsdienst und die Arbeitsumgebungen reinbringen, ist man mit drei Jahren dabei - nicht umsonst dauern die Berufsausbildungen (nicht zu verwechseln mit Quereinsteiger-Schnellausbildungen) drei Jahre; wer's nicht glaubt, frage Corny, der ist im Moment voll dabei). Jedenfalls war man 2007/2008 dann "endlich" soweit, "hübsch und attraktiv für die Börse" zu sein - dummerweise kam die Finanz- und Börsenkrise dazwischen, es stand zu befürchten, daß ein Verklingeln der Anteile weitaus weniger Geld in die Staatskasse bringen würde als erhofft. Deshalb wurde der Börsengang bis auf weiteres auf Eis gelegt, es hieß damals, bis das Börsenumfeld wieder "freundlicher" wäre, man also wieder mehr Geld von den Investoren für die Anteile einsacken konnte. Dann kam der Winter 2010/2011, in dem gerade im Fernverkehr kaum noch was ging... daraufhin wurde der Börsengang erstmal auf unbestimmte Zeit verschoben. Man beachte aber: offiziell von der Bundespolitik für alle Zeiten ABGESAGT wurde er nie!! Und auch heute noch wird, wenn auch nicht mehr so offensiv wie zu Mehdorns Zeiten in den 2000er Jahren, immer noch versucht, den Konzern "hübsch für die Börse" zu machen - auch wenn das keiner mehr laut sagt, es ist schlicht Tatsache. Oder wie sonst sollte das Gewinnstreben erklärt werden? Sicher, um zu reinvestieren, braucht ein Unternehmen Gewinn. Gut, den rechnen wir mal mit ein - wenn danach eine schwarze Null bleibt, wäre das für ein Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge doch ausreichend, oder? - Nicht doch im Falle Deutsche Bahn: die Gewinne müssen immer mehr STEIGEN, egal wie - wirklich reinvestiert wird davon aber nur vergleichsweise wenig. Einzige Erklärung für mich: man versucht weiterhin "still und heimlich", so attraktiv wie nur möglich für Anleger zu erscheinen - wer weiß, vielleicht kommt ja doch mal der Tag X mit der Börsen-Premiere...? Und da will man natürlich gut aussehen. - - - Nun glaubt aber doch hoffentlich keiner, daß mit dem Verhökern der staatlichen Anteile alles besser würde?! Blick nach Großbritannien gefällig? Dort nahm Margaret Thatcher schon Ende der 80er etwas Vergleichbares vorweg - die Folgen: seither interessiert nur noch der Shareholder Value, Hauptsache, die Dividenden werden aufgebracht und die Aktienkurse stimmen, alles andere ist wurschtpiepegal, erst recht sowas wie das Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung. Und genau das würde hierzulande ebenfalls passieren, wenn es denn wirklich zu einer Kapitalprivatisierung kommt.
Zitat:Die Bahn ist nun mal kein "normales" Dienstleistungsunternehmen, dass man eben mal wechseln könnte (Wenn dem so wäre, hätten es schon viele gemacht.), sondern ein infrastrukturell essenzieller Teil, weshalb dafür ggf. andere Regeln gelten oder selten sollten, als für herkömmliche Dienstleister.
Völlige Zustimmung
Nur sind diese Regeln derzeit absolut nicht gegeben, ganz im Gegenteil. Seitens der Bundespolitik wollte man mit der sogenannten "Bahnreform" eine Art Rosinenpickerei betreiben: keine Staatsbahn mehr, kein Staatsgeld mehr dafür, aber trotzdem stets volle Verfügbarkeit von Dienstleistung und dem zugehörigen Personal, aber ohne daß dieses Personal die Privilegien der Staatsbahn (Beamtentum) bekommen sollte. - Klappt nicht: ich kann nicht das eine ohne das andere haben. Entweder ich habe eine Staatsbahn mit Beamten und dafür keine Streiks und immer meine Verfügbarkeit, oder ich habe eben keine Staatsbahn mit normalen Arbeitnehmern, dafür muß ich dann aber auch mit (harten) Tarifauseinandersetzungen leben. - Dankesreden und Dankesschreiben bitte an die Bundesregierung Helmut Kohl 1990 - 1994, auf deren Mist ist die sogenannte "Bahnreform" gewachsen und wurde damals gegen den Rat aller, die auch nur ansatzweise was von der Materie verstanden, mit Gewalt durchgepaukt.
Noch kurz was für die Streikstunden-Berechner, was Odi schon angedeutet hatte: was hatten wir da, die Streikstunden der ÖBB seit wann? 2002 oder so? Ich such den Beitrag jetzt nicht erst raus, bei Interesse bitte selber machen. Was ich sagen wollte: wer da Streikstunden in diesem Zeitraum bei "der Bahn" (unter Ignoranz der Tatsache, daß es in allen europäischen Flächenstaaten nicht nur ein EVU, sondern mehrere gibt; gemeint sind hier aber offenbar die jeweiligen (ehemaligen) Staatsbahnen bzw. direkte Nachfolge-Konzerne) zusammenrechnet, der rechne bitte mal für denselben Zeitraum die Streikstunden bei der italienischen FS, der französischen SNCF und der belgischen SNCB aus, das würde mich interessieren, was da dann rauskommt. Und dann reden wir weiter darüber, ob die GDL wirklich so abgrundtief böse ist...
Zum eigentlichen Streikthema lasse ich mich nicht auf die Diskussion ein... die dreht sich ohnehin nur wieder im Kreis, habe ich ja schon gesehen seit der Wiedereröffnung des Threads. Die Streik-Gegner haben ihre Meinung, in Ordnung, die ist ihnen auch unbenommen, sie wollen aber bei ihrer Meinung bleiben - von mir aus gerne, ich werde nicht versuchen, jemanden zu missionieren, außerdem ist Odi schneller im Antworten als ich
Ich selber sehe den Streik als notwendiges Übel an, der mir selber auch keinen Spaß macht, aber wenn es nicht anders geht...
- Und nein, ich kenne die Verhandlungen oder deren (Nicht-)Ergebnisse genausowenig oder genausoviel wie Odi. Ich sehe es aber so: da ich selber mich nicht 24/7 mit der Materie befassen kann, muß ich mich auf meine Gewerkschaft verlassen, dafür bezahle ich sie ja auch - in Form meines Mitgliedsbeitrages, dafür, daß sie meine Interessen vertritt. Und dazu gehört auch, daß man als Verhandlungsführer dieser Gewerkschaft Fallstricke in den Entwürfen des Arbeitgebers erkennt und rechtzeitig gegensteuert, egal, wie verklausuliert und schön formuliert die auch sein mögen. Ich selber würde da unter Garantie richtig schön reinfallen, das weiß ich auch - deshalb verlasse ich mich da voll auf das Urteilsvermögen meines Gewerkschaftsvorsitzenden. Das ist meine Meinung, und von der werde ich ebensowenig abgehen wie die Streik-Gegner von ihrer, deshalb meine Bemerkung eingangs dieses Absatzes, daß ich da nicht in die Diskussion einsteigen werde.
So, das war mein Wort zum... inzwischen schon... Freitag. Eigentlich wollte ich ja nur die beiden Zitate kommentieren...