Allerdings müßte diese Spinoff-Serie dann tatsächlich für älteres Publikum ausgelegt sein, damit auch düstere Episoden möglich sind. Denn spätestens seit ihrer eindrucksvollen Vorfühung Schwarzer Magie in der Crystal-Empire-Doppelfolge kauf ich ihr die stets fröhlich-freundliche Persönlichkeit, für die nur Sonnenschein und Strahlelächeln existieren, nicht mehr ab; der Charakter ist viel komplexer (bzw. kann dahin entwickelt werden), dazu gehören aber auch Schattenseiten.
Mißmutig sah sich das große weiße Alicorn um. Nicht, daß sie dadurch etwas sah, was sie nicht schon ungezählte Male in den letzten Jahrzehnten gesehen hätte, aber an Tagen wie heute fragte sie sich zum wiederholten Mal, was sie hier eigentlich tat und warum zum Hafer sie und ausgerechnet sie hier sitzen mußte, in diesem Thronsaal, der viel zu groß war für ein einzelnes Pony, beschäftigt mit der Verwaltung eines Landes, von dem sie immer mehr das Gefühl hatte, daß es ihren Hufen entglitt und eine Eigendynamik entwickelte, die sie nicht mehr kontrollieren konnte und auch nicht wollte.
Celestias Blick streifte das große, kunstvoll gestaltete Bleiglasfenster neben ihr, und durch die bunten Scheiben sah sie, daß es draußen nicht nur regnete, sondern in Strömen goß, stärker, als es um diese Jahreszeit und erst recht in der Hauptstadt ihres Landes, Equestria, üblich war. Für einen Moment fragte sie sich, warum die Pegasi ihren Regen anscheinend nicht im Griff hatten, aber sie verwarf den Gedanken, selbst hinaufzufliegen in den Himmel und wenigstens nach dem Rechten zu sehen, fast sofort wieder - sie brachte so schon kaum noch die Energie auf, wenigstens als Repräsentantin zu funktionieren, geschweige denn, daß sie sich um etwas so vergleichsweise Unwichtiges wie einen über dem Soll erfüllten Regenwetterplan kümmern konnte.
Erneut irrte ihr Blick ziellos umher. Oh, dieses neue Schloß (Neu?, dachte sie mit einem Anflug von Bitterkeit. Nun ja, sofern man etwas, was nun auch schon seit bald 200 Jahren bestand, noch als neu bezeichnen konnte, aber Zeit war ohnehin relativ) war deutlich komfortabler als der Bau im Everfree Forest, der schon alt gewesen war, als sie selbst noch ein Fohlen war. Wie alt das Gemäuer inmitten des Waldes war, wußte kein Pony, aber es mußten etliche Jahrtausende sein, in denen die jeweiligen Regenten des Landes dort ihren Sitz hatten - in Räumen, in denen man im Winter einfach nur erbärmlich fror, die selbst im Sommer nie wirklich warm und anheimelnd wurden und in denen es selbst bei trockenstem Wetter und brüllender Hitze außerhalb stets ein wenig von den Wänden tröpfelte, von den ungebetenen Mitbewohnern in Form von Spinnen und Asseln erst gar nicht zu reden. Sie hatte die ersten Jahrhunderte ihres Lebens dort verbracht - verbringen müssen - und, seitdem feststand, daß es eine neue Hauptstadt geben würde, jeden Tag herbeigesehnt, an dem sie endlich ihr neues Schloß beziehen konnte. Die ersten Monate, ja Jahre in diesem neuen Bauwerk, einem absoluten Meisterwerk der Pony-Baumeisterkunst, waren auch durchaus angenehm gewesen... aber auch diese Räume blieben stets auf merkwürdige, nicht wirklich greifbare Weise kalt, als würde ihnen etwas fehlen, etwas, das auch kein noch so großes Kaminfeuer ersetzen konnte. Außerdem waren sie viel zu groß und so hoch, daß man sie im Winter zwar heizen konnte, aber im Grunde nur mit viel Magie auch wirklich den Bereich, in dem die erdgebundenen Ponys sich aufhielten, merklich wärmer bekam als die Außentemperatur. Wie gern hätte sie gemütliche, heimelige kleine Räume gehabt... am besten würde ihr ein Haus gefallen wie das, was die derzeitige Chefin der Apple-Familie, Applejack, auf ihrer Farm als Wohnhaus besaß. Es hatte schon seinen Grund, daß sie keine Gelegenheit ausließ, Ponyville und dort die Apple-Farm zu besuchen - nur konnte sie zu ihrem Leidwesen nicht dauerhaft in ein solch gemütliches Haus umziehen, sondern mußte in diesem viel zu großen Prachtbau mit seinen viel zu hohen Räumen und den schier endlosen Fluren bleiben.
Sie levitierte die Papiere, auf die sie sich ohnehin nicht mehr konzentrieren konnte, beiseite und begann, unruhig und fröstelnd auf und ab zu traben - sie fror regelrecht, obwohl es in objektiv betrachtet in dem riesigen Raum eher zu warm als zu kalt war, da die Pegasi in den letzten beiden Wochen sämtliche Wolken von Canterlot ferngehalten und sich die Mauern durch die beständige Sonneneinstrahlung beträchtlich aufgeheizt hatten. Nebenbei sah sie im Vorübergehen die Bilder in den großen Bleiglasfenster, und die Gesichter der darin verewigten Ponys schienen sie höhnisch anzugrinsen. Mit Gewalt mußte sie den Impuls unterdrücken, die Scheiben mit einem kraftvollen Tritt ihrer Hinterhufe zu zerschmettern oder einen zerstörerischen magischen Strahl aus ihrem Horn darauf abzufeuern. Sie stöhnte - es war nicht das erste Mal, daß sie so empfand.
Schließlich verlor ihre Selbstbeherrschung den innerlichen Kampf gegen ihre Instinkte, schaffte es aber immerhin noch, sie dazu zu bewegen, den Kopf von den Scheiben weg- und in Richtung auf eine bestimmte Stelle an der gegenüberliegenden Mauer zu drehen. Dann verdrehten sich ihre Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und begannen, in einem krank aussehenden, düster-drohenden Grün zu glühen. Eine Aura aus gestaltgewordener Schwärze begann, ihr strahlend weißes Horn einzuhüllen, und ein Strahl, der so schwarz war, daß er nicht nur aus der bloßen Abwesenheit von Licht, sondern aus etwas ungleich Älterem und vor allem Böserem bestehen mußte, schoß heraus und mit voller Wucht gegen die Wand - wo er dank der besonderen Imprägnierung wirkungslos verpuffte.
Kraftlos und zornig schluchzend sank das große Wesen in die Knie. Sie wollte nicht länger für dieses Land verantwortlich sein, nicht länger das stets liebe und gütig lächelnde Grüßpony sein - sie wollte ein Leben haben wie ihre Untertanen auch, konnte das denn kein Pony verstehen? Strenggenommen hatte sie nie Herrscherin sein wollen, bedeutete dies doch, stets Vorbild sein und bei Bedarf auch andere Ponys, die gegen elementare Regeln verstoßen hatten, bestrafen zu müssen - und beides zehrte mehr an ihr, als irgendein Pony auch nur ahnte. Aber wer war sie schon, daß sie gegen das Schicksal ankämpfen wollte...
Ein rauchiges Schimmern erschien in der leeren Luft vor ihr, um sich zu einem schwebenden Schriftstück zu manifestieren. Sie sah auf und erkannte eine Anmeldung ihrer Wachen. Im gegenseitigen Einvernehmen mit ihr hatten diese es schon vor mehr als fünfzig Jahren aufgegeben, sie von Angesicht zu Angesicht über eintreffende Besucher zu informieren, nachdem sie versehentlich einige ihrer treuen Diener, weil diese das Pech gehabt hatten, sie im falschen Moment zu stören, durch unkontrollierte Magieausbrüche in Stein verwandelt, zum Mond geschossen oder schlicht vaporisiert hatte. Sicher, kein Pony hatte ihr, der gottgleichen, hochverehrten Herrscherin, jemals einen Vorwurf daraus gemacht, dennoch lastete die Schuld schwer auf ihren Schultern, und es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht in irgendeiner Weise daran erinnert wurde, daß auch sie eben nicht unfehlbar war - aber genau das wurde von ihr erwartet.
Der Inhalt der Anmeldung ließ ein Lächeln über ihre Züge gleiten, aber es lag keine Fröhlichkeit darin. Twilight Sparkle, ihre treueste Studentin, ersuchte sie um eine Audienz, offenbar benötigte sie bei einem magischen Forschungsprojekt den Rat des uralten Alicorns, welches naturgemäß auf einen Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte, den das junge Alicorn noch gar nicht haben konnte.
Meine arme kleine Twilight. Vergib mir, daß ich dir nicht die Wahrheit sagen konnte, was auf dich zukommt als Alicorn, als Prinzessin... ich bringe es nicht übers Herz. Es würde auch nichts ändern: kein Pony kann seinem Schicksal entfliehen, du kannst das nicht - und ich konnte es auch nicht. Ich hoffe, daß du das eines Tages verstehen kannst und mir verzeihst, was ich dir antun mußte, und mich vielleicht deswegen nicht zum Mond schickst, obwohl das für mich vielleicht angemessen wäre.
Sie blinzelte ihre Tränen weg, um sich mit einer Energie, von der sie selber nicht wußte, woher sie sie eigentlich nahm, zu sammeln, aufzurappeln und ihr gütig strahlendes Gesicht aufzusetzen, welches ihre Ponys kannten und liebten - sie schlüpfte in die Rolle, die sie seit einem Zeitraum spielte - nein: spielen mußte, die den Vorstellungsrahmen jedes normalen Ponys bei weitem überstieg. Mit einer inneren Müdigkeit, die in starkem Gegensatz zu ihrer Miene stand, schlurfte sie zurück zum Thron und war froh, sich dort endlich wieder hinsetzen zu können. Sie schüttelte noch einmal den Kopf und hoffte, daß wenigstens der Anschein der freundlichen Herrscherin gewahrt blieb, dann hüllte eine Aura aus heller Magie dasselbe Horn ein, welches noch vor wenigen Minuten die schwärzeste Magie gewirkt hatte, die ein Pony sich nur vorstellen (oder in aller Regel eher nicht vorstellen) konnte, und die Tür zum Vorraum öffnete sich, um Twilight Sparkle, ihrer Studentin, deren Jugend ihr jedes Mal aufs Neue schmerzlich bewußt machte, wie alt sie selbst wirklich war (auch wenn man es ihr nicht ansah), trat ein. ...
So... etwas lang geworden, aber sowas müßte dann schon drin sein
Nur mal "schnell" zusammengeschrieben, könnte man sicher noch ausbauen und verbessern.
Aber ich glaube, eine Spinoff-Serie in dieser Richtung werden wir nicht zu sehen bekommen