(05.09.2016)Dreadnought schrieb: [ -> ]Für eine Direkte Demokratie müsste man nämlich eine vernünftige Meinung haben, die auf fundierten Informationen beruht. Das kannst du den meisten menschen nicht zutrauen, da diese sich das Nachdenken durch Feindbilder und Vorurteile ersparen.
(05.09.2016)HeavyMetalNeverDies! schrieb: [ -> ]Sorry, aber das ist wirklich ein blödes Argument. Die Politiker fragen ja selbst die "Experten" (i.d.R. irgendwelche kapitalistisch orientierten Banker), wie sie den Staatshaushalt sanieren sollen. Ebenso, wie in allen anderen Belangen irgendwelche "Experten" zu Rate gezogen werden.
Ich glaube Die Linke wäre sehr erbost über diesen Vorwurf. Darüber hinaus geht die Kritik geradewegs vorbei an den tatsächlichen Demokratiedefiziten in Deutschland. Ins Blaue zu schießen und allen Politikern Korruptheit, Dekadenz und eine heuchlerische Affinität zum Lobbyismus zu unterstellen bringt uns wirklich nicht weiter.
Unter den Sozialdemokraten der Schröder-Ära fand in Deutschland eine exzessive marktwirtschaftliche Liberalisierung statt, es gibt in weiten Teilen der Bevölkerung ein dringendes Bedürfnis nach "gesellschaftlicher Entschleunigung" und noch immer gibt es sehr kontroverse diskutierte (ausländische) Deals durch deutsche Rüstungsunternehmen. Das sind Dinge, über die man nachdenken muss, aber daraus darf man nicht schließen wir stünden ohnmächtig unter kapitalistisch-verschwörerischem Primat.
(05.09.2016)HeavyMetalNeverDies! schrieb: [ -> ]Was macht es jetzt besser wenn nur ein paar Politiker, die sich zuerst nen Haufen Müll einreden haben lassen, eine Entscheidungsgewalt haben, anstatt vieler Menschen die alle für ihre eigenen Interessen stimmen?
Mir fällt da ein konkretes Beispiel aus deinem Heimatland ein, die Mediaprint GmbH & Co KG. Der größte österreichische Zeitungsverlag mit extremst auflagenstarken Zeitungen (Kronen Zeitung, Kurier), im Besitz von Unternehmer Dichand, der WAZ-Gruppe und Raiffeisen. Mediaprint hat - zumindest was Printmedien angeht - eine marktbeherrschende Stellung. Die mag zwar nicht absolut sein, aber Schätzungen der "MediaWatch" (ORF-Tochter) gehen von erschreckenden 60% Marktanteil aus. Hinzu kommt ein sehr kontrovers diskutiertes und in sich paradoxes Urteil des österreichischen Kartellgerichts, welches dem Unternehmen einen Marktanteil von gerade mal etwas mehr als 29% attestiert.
Die österreichische Medienlandschaft ist indes weitaus tendenziöser als es bei der vielfach beschimpften Deutschen der Fall ist. Und ich sage bewusst tendenziös, womit ich nicht mehr ausdrücken will, als dass es sich hier - in einer direkten Demokratie noch viel mehr als in einer Indirekten - um theoretisch potente Machtkonzentrationen handeln kann.
Das mag nun ein radikales Beispiel sein und ich hab es auch nur äußerst grob skizziert, aber ich glaube, dass man anhand solcher Fälle erahnen kann, dass die Idee direkter Demokratie Nachdenken über eine mögliche Redefinition der Rolle der Medien erfordert. Gerade im digitalen Zeitalter, wo Menschen sich in medialen Blasen einschließen und confirmation bias und kognitive Dissonanz in radikalen Ausprägungen kein Randphänomen mehr darstellen.
(05.09.2016)HeavyMetalNeverDies! schrieb: [ -> ]Wenn ein Großteil vom Volk für die eigenen Interessen stimmt, dann kommt schon mal was gemeinnützigeres dabei heraus, als wenn hundert oder dreihundert Leute, die sich vorher von irgendwelchen Lobbyisten beraten haben lassen, letztenendes für die Interessen der Lobbyisten stimmen.
Ich bitte zu berücksichtigen, dass in Demokratien die Wahlbeteiligung bei gebildeten und wohlhabenderen Schichten tendenziell höher ist, was wahrscheinlich eine vielleicht nicht unerhebliche Gewichtsverschiebung zugunsten der Interessen dieser Gruppen bewirkt.
Hinzu kommt, dass Entscheidungen über Steuerrecht theoretisch schon an bloßer, menschlicher Psyche scheitern können, da die wenigsten Leute willig sind staatliche Tätigkeiten zu Lasten der Gesamtheit zu finanieren. Die Frage ist hier ob solche hypothetischen Problemfelder von Volksabstimmungen ausgeschlossen sein sollten oder eben nicht.
Ähnlich verhält es sich beispielsweise mit der Justiz. Für Lynchjustiz (sehr populär ist die Forderung nach der Todesstrafe für Kinderschänder) findest du in der Bevölkerung einen nicht zu unterschätzenden Rückhalt. Sollen wir also eine Verfassung mit einer Ewigkeitsklausel ausstatten um sie vor Extremismus zu schützen? Abermals nur Beispiele, aber ich stelle freudig fest: Es wird immer komplexer, je mehr wir betrachten.
(05.09.2016)HeavyMetalNeverDies! schrieb: [ -> ]Politiker sind genau so grottendämliche Menschen wie alle anderen. Mit Vorurteilen, Halbwissen und Feindbildern.
Das darfst du gerne für dich beanspruchen, aber ich muss so vehementen Misanthropismus doch zurückweisen.
An sich verurteile ich die direkte Demokratie ja auch nicht, das ist ein sehr interessantes, gesellschaftliches Konzept. Aber nach meinem Dafürhalten viel zu oft viel zu ausgehöhlt und leer, als dass es intellektuell viel hermachen würde. Gerade wenn es von der rechten / rechtsextremen Seite propagiert wird, steckt leider oftmals nicht viel mehr dahinter als Populismus und Demagogie.
Demokratisierungsbemühungen sind ja prinzipiell auch nicht schlecht, im Gegenteil: Ich glaube das haben wir in den kommenden Jahren sogar dringend nötig. Die Frage ist nur wie weit wir gehen wollen und ich glaube da bieten uns gerade die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts viel Stoff zum Reflektieren.
Letzten Endes vermisse ich eben konkrete Visionen und durchdachte Ideen - allen voran bei den Pegidisten.